Dixi Glow gewinnt das Drag Race

Als Schauspieler Mio W. Riedl mit Drag in Berührung kam, war them* zuerst nicht klar, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, eine Drag Figur zu erschaffen. Es gibt nicht nur die bekannten „Drag Queens“, man hat bei der Benennung freie Wahl. So können auch „Kings“ vorkommen oder eine Kombination, die „Quings“. Letzteres hat Mio für die eigene Figur “Dixi Glow” gewählt, da es für they eine genderneutrale Drag Figur darstellt.

Wir verwenden die englischen Pronomen, um uns auf Mio zu beziehen, da das bevorzugte Pronomen von they sind.

Mio hat nur wenige Shows gesehen, bevor they sich selbst ins kalte Wasser geworfen hat und begann, eigene Auftritte zu gestalten: „Obwohl ich hauptberuflich Schauspieler bin, war ich so nervös wie noch nie in meinem Leben“, sagt they über den allerersten Auftritt. Die Verletzlichkeit erhöht sich enorm, wenn jeder Teil des Auftritts selbst geplant, geschrieben und koordiniert wurde. Da die Kunstform etwas sehr persönliches ist, wird man angreifbarer. “Ich würde nie wieder eine Performance genauso gestalten wie die erste, dennoch bin ich sehr froh, dass ich es getan habe“, sagt Mio und erklärt weiter: “Die positive Resonanz hat mich nicht nur motiviert, sondern hat mir auch Türen geöffnet.“ 

Perspektive

Durch Drag hat Mio einen intensiveren Zugang zur queeren Szene gewonnen und sich somit auch einen Weg zu rein queeren Räumen ermöglicht. Das Erleben von Queerness in queeren Räumen sei völlig anders. Zudem ist Mio selbst tiefer mit Gender-Diversität in Berührung gekommen und durfte viele neue, individuelle Menschen kennenlernen. Dadurch wurde es leichter, die eigene Gender-Identität zuzulassen und diese benennen zu können. „Man sollte die Option haben, Dinge wie Namen und Pronomen ausprobieren zu dürfen, ohne dass sich das Umfeld quer stellt. Denn man kann nicht wissen, dass man etwas nicht weiß, wenn man es nicht weiß.“ 

Dixi Glow 

Die Figur entstand spontan durch die Teilnahme an einem Event, zudem Mio von einem Bekannten ermutigt wurde. Drag-Figuren werden oft auf humorvolle Art benannt, weshalb der Name Dixi Glow als Wortwitz zum „Dixi Klo“ erfunden wurde. „Die Figur selbst ist erst mit der Zeit gewachsen. Es ist ein ständiger Wandel und ich will mich auch weiterhin verändern“, sagt Mio, they mittlerweile regelmäßig als Drag Quing auftritt. Denn dem Wiener wurde klar, dass they keine Weiblichkeit performen muss, sondern sich einfach als Künstler ausdrücken kann, wie they will. Durch die Figur findet Mio einen eigenen Ausdruck von Weiblichkeit, der heilsam ist und sich je nach Belieben auch ganz einfach wieder abschütteln lässt.

Drag Kollektiv “BroHomo”

Im vergangenen Jahr gründete Mio gemeinsam mit fünf anderen das Drag Kollektiv „BroHomo“. Ursprünglich sollte das Debüt im Dezember stattfinden, jedoch kam es zu einer Art Frühgeburt. Eine Woche vor dem geplanten Hauptevent wurden sie spontan im Rahmen der Klimabesetzungen „Erde Brennt“ – eine von Studierenden ausgehende Bewegung – aufgefordert, im großen Hörsaal der Universität eine Drag-Show auf die Beine zu stellen. Dies stellte für die Mitglieder eine unerwartete Gelegenheit dar, sich erstmals als Kollektiv zu präsentieren. Die zahlreichen Zuschauer:innen und die Begeisterung des Publikums waren eine positive Überraschung für das aufstrebende Kollektiv. Ein besonderer Höhepunkt war die Darbietung von dem Drag King Gaston zu „I am Sailing“ von Rod Stewart.Inmitten der Dunkelheit erschufen alle Anwesenden um den King, der eine Trans-Flagge schwang, ein faszinierendes Sternenmeer aus Handy-Lichtern. „Dieser Moment war nicht nur wunderschön, sondern auch zutiefst berührend. Man spürte den Zusammenhalt und die Kraft in diesem Raum. „Als Kollektiv verwenden wir sehr viel Bildsprache und entwickeln aussagekräftige Konzepte, damit unsere Auftritte einen zum Nachdenken anregen.“, erzählte der Performer. Ein weiterer Höhepunkt, auf den das Kollektiv stolz ist, war die Teilnahme am Fundraising-Event TiT4TaT im vergangenen Sommer in Graz. Diese Veranstaltung bot eine exklusive Bühne für TIN*-Personen. 

Drag is not a Crime

Ein anschauliches Beispiel hierfür war die Lesung für „Drag is not a Crime“ in der Villa Vida, bei der Mio anwesend war. Neo-Nazis und Konservative haben vor Ort demonstriert. Die Gegendemonstration in der Villa war zwar viel besser besucht, trotzdem war die Atmosphäre unheimlich. Es mussten starke Sicherheitsvorschriften getroffen werden. Die Stimmung war zwar gut, aber angespannt. In diesem Kontext hielt die Drag-Queen Freya van Kant eine bewegende Rede, die viele berührte. Die Geschehnisse rund um diese Lesung machen deutlich, dass die Geschichte noch nicht geschrieben ist – es gilt weiterhin, sich solchen Herausforderungen zu stellen. Ein zweiter Aufrüttler war die transfeindliche Demo kurz vor der Pride Parade in Wien, zu der auch die Anti-Transgender-Aktivistin Posie Parker aus England angereist war. Parker schließt Transpersonen ausdrücklich von ihrem Engagement für Frauenrechte aus. Die dazu organisierte Gegendemo der Trans-Community erhielt, trotz der nahenden Pride-Veranstaltung, kaum Unterstützung von Allies. Mio betont daher stets den Wunsch, dass die Community einander künftig noch besser unterstützt. „Ein Ally kann auch jemand aus der queeren Community sein und nicht nur jemand Außenstehendes“, fügt er hinzu.

Tuntenball-Motto „Halos x Horns“

Dixi Glow hat das Ballthema mit viel Hingabe in dem Outfit für den Vorausscheid des Drag Races 2024 umgesetzt. They sehe sich im mehr „Göttlichen“ als in Satan. Daher erschien Dixi im ehemaligen Lifeball Outfit von Jazz Gitti, welches aus einer großen Daunendecke bestand, die zum Mantel umfunktioniert wurde. Drag Kollegin Pandora, ebenfalls in der Jury zum Vorausscheid, war in Rot mit schwarzem Latex gekleidet: Wie Himmel und Hölle saßen die beiden dann nebeneinander in der Jury. “Vielleicht könnte ja sogar BroHomo im Jahr 2025 beim Tuntenball für frischen Wind sorgen!” sinniert Dixi Glow. Die Welt des Drag bietet nicht nur eine atemberaubende Vielfalt an kreativen Ausdrucksformen, sondern dient auch als ein kraftvoller Raum für Menschen, die nach Selbstfindung und Gemeinschaft suchen. „Ich finde so viel Stärke, Kraft und Antrieb in “BroHomo” und der Welt des Drag. Es ist, als ob ich endlich die Macht habe, Räume für mich und andere zu schaffen, in denen man Platz hat, so zu sein, wie man ist.“

Infobox: 

*TIN: Trans-, Inter-, Non-binary-Personen

Drag Quings (Drag Queen und Drag King) kombinieren in ihren Kunstfiguren männliche und weibliche Attribute.

they/them: Englische Pronomen für Non-Binäre oder geschlechtslose Personen. 

Allies: Verbündete, Personen die eine Minderheit unterstützen ohne Teil von dieser zu sein