Kinder schützen! Aber bitte vor der FPÖ, nicht vor Drag Performer:innen

Geht es nach der FPÖ, so sollen auch hierzulande bald Florida-artige Zustände herrschen: Wiens FP-Chef Dominik Nepp will Drag Shows für Kinder verbieten und schlägt damit in die gleiche Kerbe, die die Republikaner in den Vereinigten Staaten bereits ausgiebig bedienen. Nepp lehnt sich gegen den „Transgender-Irrsinn […] aus den USA” auf und zeigt damit nicht nur sein eklatantes Unwissen (Drag hat mit trans* nichts zu tun), sondern greift mit dieser Aussage zur altbekannten Strategie seiner Partei, alles die österreichische Idylle Bedrohliche als ausländisch in der Herkunft zu verorten. Quasi ironisch, denn seine Rhetorik hat er sich ebenfalls aus dem Ausland geborgt.

Der aktuelle Feldzug gegen Drag mag für die FPÖ Neuland sein, ihr queerfeindlicher Hintergrund ist es nicht  –  der ist in ihrer Politik nämlich immer schon dagewesen. Die Übernahme der republikanischen Rhetorik durch die Freiheitliche Partei zeigt eindrücklich die (ideologisch) stark verflochtene Freund(erlwirt)schaft zwischen den beiden Rechtsparteien: So feierten Salzburgs Landesparteiobfrau Marlene Svazek, FPÖ-Delegationsleiter im EU Parlament Harald Vilimsky und Steiermarks Landesparteiobmann Mario Kunasek 2016 den Wahlsieg von Donald Trump in dessen Tower; ebenfalls 2016 wird Norbert Hofer während seines Präsidentschaftswahlkampfes von dem (mittlerweile wegen Rassismus von seiner eigenen Partei politisch entmachteten) republikanischen Abgeordneten Steve King besucht;  zur Amtseinführung Trumps finden sich 2017 Kunasek, Hofer und der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Washington DC ein; und Vilimsky, der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Gerald Grosz und der Vorsitzende des Rings Freiheitlicher Jugend Maximilian Krauss lauschen 2022 andächtig Gavin Wax, dem Präsidenten des New York Young Republican Club, wie er sich den „total war” („totalen Krieg”) herbeisehnt. FPÖ typisch, wahrscheinlich aber alles nur Einzelfälle.

Vielfalt als Feindbild

Der Auslöser für Nepps Tiraden? Eine Veranstaltung der Villa Vida in Wien, welche im April zur „Drag Storytime 4 Kids” mit Drag Queen Freya van Kant einlud. Nicht die erste hierzulande abgehaltene Drag Kinderbuchlesung, wohlgemerkt, und nicht die erste, die mit Protesten konfrontiert wurde. Bereits im Juni vergangenen Jahres wurde in Wien der Eingang der Bücherei Mariahilf von den als rechtsextrem eingestuften und dem Neofaschismus nahestehenden Identitären wenig erfolgreich „zugemauert”. Die mit dem Hashtag NOPRIDEMONTH versehene rot-weiß-rote Mauer war schnell entfernt und die Kinderbuchlesung mit Drag Queen Candy Licious fand (unter Polizeischutz) wie geplant statt. Noch einige Tage danach geisterte die Aktion als Kuriosum durch die heimischen Medien, dann war es ruhig. Bis jetzt. 

Drag Verbot scheiterte

Kurz nach ihrer Ankündigung wurde die Drag Storytime 4 Kids ganz nach amerikanischem Vorbild medial extrem breit ausgeschlachtet. Vorwiegend boulevardistisch geführt, wurde der Diskurs alsbald auch auf legislative Ebene gehievt: In einem im März eigens einberufenen Sonderlandtag, bemühte sich Nepp vergeblich, den Auftritt von Drag Performer:innen vor Kindern zu untersagen. Einzig ÖVP-Landtagsabgeordnete Caroline Hungerländer zeigte parteiübergreifend Solidarität gegen die von ihr als „Indoktrinierung” bezeichneten Lesungen. Von seiner Niederlage nicht entmutigt, konzentrierte Nepp sich weiterhin darauf, in zahlreichen Presseaussendungen und Interviews ein Narrativ von Drag als „Kinderschädung” und „Sexualisierungspropaganda” aufzubauen. Ein Narrativ, dem Candy Licious vehement widerspricht:

„Als Sexualpädagoge und Künstler finde ich es bedenklich, dass die FPÖ von Sexualisierung spricht und im gleichen Augenblick auch über den Inhalt der Lesungen lügt. Bei den Kinderbuchlesungen geht es um das Vermitteln pädagogisch wertvollen Inhalten mittels Vorlesen.” 

© Markus Eichberger

Hass und Hetze nehmen zu

Von pädagogisch wertvollen Inhalten wollen allerdings weder Nepp, seine Parteikolleg:innen, noch das Who-is-Who der rechtsextremen Szene in Österreich etwas wissen. Am Tag der Drag Storytime 4 Kids demonstrierten knapp hundert Menschen vor dem Veranstaltungsort. Unter ihnen: Vertreter der FPÖ, Mitglieder der Identitären, christliche Fundamentalist:innen, Corona-Leugner:innen und (amts-) bekannte Neonazis. Eine zuvor von LGBTIQ-Aktivist:innen und Politiker:innen geforderte Schutzzone rund um die Villa Vida wurde von der Polizei nicht eingerichtet, weshalb sich etwa 500 Gegendemonstrant:innen einfanden, um die an der Lesung teilnehmenden Familien mit ihren Kindern von der Hetze der hasserfüllten Menge abzuschirmen.

Transfeidlichkeit durch die Hintertür

Genau jene Hetze ist es, die dazu führt, dass die Zahl an queerfeindlichen Angriffen hierzulande in den letzten Jahren immer weiter angestiegen ist. Dem zugrunde liegt ein von Hass geprägtes heteronormatives Weltbild, das von Institutionen wie der FPÖ verbreitet wird. Hass, der sich seit Neuestem explizit gegen Drag Performer:innen richtet. Vorbildlich der republikanischen Argumentationsweise folgend, wird von rechten Politiker:innen eine Verknüpfung von Drag und Kindesgefährdung fabriziert, stark gestützt auf eine stereotype Hypersexualisierung von queeren Personen. Dabei offenbart sich auch schnell, warum Politiker wie Nepp mit Transfeindlichkeit um sich schlagen: Für sie gibt es zwischen trans* Personen und Drag Performer:innen keinen Unterschied.  Und exakt darin liegt die enorme Gefahr solcher Rhetorik. Denn Gesetzgebungen, die sich auf ein Verbot von nicht-normativen Geschlechtsdarstellungen stützen, bieten einen breiten Angriffsraum gegen alle, die eben nicht in eine absurd enge, stark reglementierte Binarität fallen. So wird ein Gesetz des scheinbaren Kinderschutzes schnell zu einer Legislation, die die Freiheit und Grundrechte von trans* Personen stark einschränkt. Transfeindliche Gesetzgebung durch eine geschickt eingefädelte Hintertür, sozusagen.