Schaut uns an!

So sichtbar wie sonst kaum möglich und brandneu: Ein queeres, schickes und komfortables Vereinszentrum, das feel free in der Annenstraße in Graz, nennt sich jetzt Heimat der RosaLila PantherInnen. Seit Ende April wird es vielseitig genutzt, für Gruppenabende, als Treffpunkt, als Ort für Beratungen, erste Anlaufstelle, fürs Beisammensein, offen für alle, die sich unter dem Regenbogen wohl fühlen und noch so viel mehr.

Es herrscht seit Beginn reges Treiben, das Vereinslokal wurde schnell angenommen als sicherer Ort für Treffen und um sich zu vernetzen. Hinter der Bar trifft man zumeist Lisa Summer und Sarah Kampitsch an, die für den Cafébetrieb verantwortlich sind. „Von verhaschten Blicken, über unverhohlene Neugier sind alle Reaktionen dabei, aber vor allem berichten uns die Leute, die sich zum ersten Mal herein getraut haben, von ihren positiven Erfahrungen bei uns,“ zieht Lisa positive Bilanz über die ersten Monate.

Sichtbare Provokation?

Doch warum so sichtbar, mit einer farbenfrohen, mutigen Front direkt an der belebten Annenstraße? Fröhlich und bunt hängt ein Vorhang in Regenbogenfarben im Schaufenster, auch an der Fassade des Gebäudes wehen zusätzlich Regenbogenfahnen. Im Kontext von queerfeindlicher Gewalt könnte man sich fragen, ob so viel Sichtbarkeit nicht Übergriffe geradezu provoziert? Wäre es nicht besser, keine hübsche Glasfassade, sondern stabilen, grauen Beton zu verwenden? Schließlich weiß man doch, dass mit ausreichend gegebener Zeit die Wahrscheinlichkeit für einen Vorfall sehr hoch ist, es passiert doch täglich, wie wir in diversen Medien verfolgen (müssen).

Diese Denkweise würde die queere Community aber in ein Versteck zwängen, was einer permanenten Diskriminierung gleichkäme. Sichtbarkeit kann auch ein Schutz sein, in einer belebten Straße darf man sich vor aller Augen gleichermaßen relativ sicher wie unsicher fühlen. Hass und Gewalt wiederum werden oft von kleingeistigen, engstirnigen Persönlichkeiten ausgeübt, aus Gründen der Feigheit gerne im Versteckten. Uns bedarf es an Größe, Gemeinschaft und Empowerment, um dem entgegenzuwirken.

Das feel free als politisches Statement

Gegen Intoleranz gibt es leider noch keine Impfung, so stellt sich weiterhin die Frage nach dem Umgang damit. Derzeit ist Queerness präsent, in den Medien, in der sich rasant entwickelnden Gesellschaft, in Gesprächen und somit verändern sich auch Meinungen und Vorurteile. Dabei wird auch uns,  Menschen, die eigentlich nur ohne Gewalterfahrungen leben wollen, angelastet, nicht achtsam genug zu sein. Wir könnten ja eh queer sein, wenn wir es den Leuten nicht so aufdrängen würden. Also allein daheim im Kleiderschrank wäre das alles kein Problem, meinen manche. Aber auf der Straße sein? Vielleicht sogar einkaufen gehen oder arbeiten? Das geht jetzt aber zu weit. 

Nein, geht es nicht! Hass muss immer noch den Hassenden angelastet werden. Gegen Körperverletzung, Verhetzung und Faschismus gibt es zum Glück Gesetze, ebenso ist Diskriminierungsfreiheit Bestandteil der Verfassung. Mit diesem Mut ist das feel free wohl mehr ein gewöhnliches Lokal, Zufluchtsort und politisches Statement gleichermaßen: Denn wir zeigen uns, sind hier, sind laut, sind viele und schaut uns verdammt nochmal an, wie gut wir aussehen!

https://www.feelfree.community

Titelfoto: © Bernhard Schindler