„Du kommst hier nicht rein“

Es ist kurz vor ein Uhr nachts. Vor der Postgarage, einem der beliebtesten Clubs in Graz, reiht sich eine lange Schlange. Die Stimmung ist aufgeladen, hunderte Menschen warten darauf, endlich zum FAGtory Clubbing zu kommen. Plötzlich klirrt eine Glasflasche, die am Asphalt zerbricht. Eine Welle der Unruhe zieht durch die Menge. Noch mehr Flaschen fliegen durch die Luft und verfehlen die Menschen in der Schlange um Haaresbreite. Was wie ein Angriff auf die wartenden Gäste wirkt, ist in Wirklichkeit eine Auseinandersetzung zwischen dem Awareness-Team, den Securities der Postgarage und zwei Störenfrieden aus dem umliegenden Park. Die Situation ist schnell wieder vorbei, niemand wurde verletzt.

Drei Stunden zuvor ist es noch ruhig. In der leeren Postgarage bereitet sich das Awareness-Team auf den Abend vor. Wieder einmal sind unter den ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen einige neue Gesichter dabei, die eingeschult werden müssen. Es werden die Regeln der Party, Verhaltensweisen in Konfliktsituationen, Präventionsmaßnahmen, sowie die Schichteinteilung besprochen. Haarreifen mit pinken Leuchtaugen, das Erkennungsmerkmal des Awareness-Teams, werden verteilt. Parallel dazu laufen letzte Vorbereitungen, die Bar wird befüllt, Deko verteilt, der Soundcheck läuft. Alle stehen unter Strom, schließlich werden in wenigen Minuten über tausend Leute den FAGtory Club stürmen.

Je höher der Andrang, desto mehr Arbeit hat das Awareness-Team

Was 2014 als kleine Feier der LGBTIQ-Community begann, hat sich mittlerweile zur größten monatlichen Veranstaltung in der Postgarage und zu einer der größten sexpositiven Partys in der Steiermark entwickelt. Safer-Space-Parties sind mittlerweile sehr gefragt. In Graz verkörpert gerade die FAGtory eine der wenigen Veranstaltungen mit Awareness-Team und bietet somit eine der wenigen Locations in der queere Menschen ohne Bedenken feiern und auch einmal etwas mehr Haut zeigen können. Der stets steigende Andrang auf die letzten Tickets der Abendkassa bringt auch jedes Mal neue Herausforderungen und Probleme mit sich. „Mit der Anzahl an Gästen steigt leider auch die Gefahr an potenziellen Übergriffen, die erfahrungsgemäß meist von angetrunkenen cis hetero Männern ausgehen“, erklärt Lisa Summer, Co-Leiterin des Awareness-Teams. Neben den Securities sorgen sich etwa zehn ehrenamtliche Mitarbeiter:innen pro Abend nicht nur um die Sicherheit, sondern auch um das emotionale Wohlbefinden der Feiernden. 

Bereits vor dem Einlass werden Gespräche mit den Wartenden geführt. Homophobie, Transphobie, Sexismus, Rassismus und Gewalt haben keinen Platz. Um mit der Masse an feierlustigen Menschen fertig zu werden, gibt es mittlerweile auch einen strengen Dresscode. Dieser ist auf keinen Fall dazu gedacht, Menschen zu verurteilen, sondern dient der oberflächlichen Beurteilung, ob sich eine Person bereits im Vorhinein mit den Regeln und der Philosophie der Party auseinandergesetzt hat. Anhand eines kurzen Gesprächs und eines Outfit-Checks wird entschieden, ob eine Person der Party gewachsen ist oder nicht. Viele abgewiesene Personen reagieren auf ein „leider nein“ teilweise sehr aggressiv: „Dadurch, dass der Dresscode doch sehr streng ist, bekommen wir auch sehr viel Hass von den Leuten zu spüren. Viele regen sich auf, dass sie zwei Stunden warten, aber vergessen darauf, dass auch wir stundenlang draußen stehen und uns dabei auch noch beleidigen lassen müssen. Wir machen nur unsere Arbeit“, so Lisa.

Die Party wird von 

Mal zu Mal sicherer

Nicht nur an den Kassen, auch im Club sind permanent Zweier-Teams mit den von Weitem erkennbaren pinken LED-Augen am Kopf unterwegs. Diese sind extra auffällig gewählt, damit die Awareness-Personen als Ansprechpartner:innen für die Gäste sichtbar sind. Bei Problemen ist immer mindestens ein Mitglied des Awareness-Teams im Foyer am 1st Floor zu finden. Nach dem Ansturm auf die Abendkassa verschiebt sich das Hauptaugenmerk gegen drei Uhr morgens in den Darkroom am 3rd Floor. Mit dem steigenden Alkoholpegel steigt erfahrungsgemäß gerade dort das Risiko für nicht-konsensuelles Verhalten. „Das Schwierige an der Awareness-Arbeit ist, die Situation im Vorhinein an der Tür einzuschätzen. Man tastet sich an die Intentionen der Personen für den Abend heran, ohne diese persönlich zu kennen. Natürlich schaffen wir es so nicht, alle potentiellen Täter:innen herauszufiltern, aber die Partys sind, seitdem es uns gibt, auf jeden Fall schon viel friedlicher und respektvoller geworden“, meint Lisa.

Hass ist ungerechtfertigt

Es ist kurz nach fünf Uhr früh, Lisas Schicht geht langsam zu Ende. Ihr Adrenalinspiegel ist noch relativ hoch, denn geworfene Flaschen sind zum Glück zwar eine Ausnahme, wirken sich aber trotzdem auf die Psyche aus. „Ich möchte einfach nur, dass die Leute verstehen, dass wir als Awareness-Team immer für sie da sind. Wir sind wie Schwämme, die versuchen, die ganze Negativität des Abends aufzusaugen und machen das ehrenamtlich. Deshalb finde ich nicht, dass wir den ganzen Hass, den wir oft abbekommen, verdient haben.“

Titelbild: © Susanne Mosstögl