Günter Tolars Freiheit

Schauspieler, Fernsehmoderator und Autor

Vorneweg: Ich bin schwul seit es mich gibt, also seit nahezu 82 Jahren. Ich bin allerdings ein atypischer Schwuler. Ich wurde nie diskriminiert, ich war immer (bis auf einmal) glücklich, ich hatte nie (bis auf einmal) Probleme, was vermutlich daran liegt, dass ich mein Leben lang in Kreisen zu tun hatte, denen das wurscht war. Selbst als Fernsehmoderator hatte ich keinen Gegenwind, weil ich immer ein unauffälliges Privatleben führte. Auffällig wurde ich erst, als „das Problem“ kam. Mein früherer Lebenspartner beging Selbstmord aus Angst, „dass es aufkommt“. Meine „Rache“ an der Gesellschaft war, dass ich mich geoutet habe (1992) und verkündete: Mein Partner hat sich umgebracht, ich tue euch den Gefallen nicht. 

Ich will mich nur noch um das kümmern, was ich will, nicht was ich muss

Die Folge meines Outings war einer der zwei großen Erfolge meines Schwulenlebens. Es lief alles so positiv, dass es eine wahre Freude war. Ein saugrober Brief meines obersten Chefs Gerd Bacher hat vielleicht historische Bedeutung, sonst die eines gebrauchten Klopapiers. Ich konnte mein Leben leben, wie ich es wollte, und wurde sogar noch bewundert dafür. Als ich mit 60 in Pension geschickt wurde, kam ich zur SoHo. Dort fand ich zwei vorrangige Ziele vor: Der § 209 muss weg und die Eingetragene Partnerschaft muss her. Mit Anfang des Jahres 2010 waren beide Ziele erreicht (mein zweiter Erfolg), ich konnte beruhigt ins totale Privatleben wechseln, wo ich mich noch heute befinde. 

Die Lehre meines Lebens 

Die Zeit vor meinem Outing habe ich sehr positiv erlebt. Dennoch: Als ich dann geoutet war, fühlte ich erst die Freiheit, die ich vorher nicht kannte. Ich musste keine Angst haben vor der Frage. Blöde Bemerkungen hat es hin und wieder gegeben. Ein Beispiel: Hans Peter Heinzl entdeckte mich bei einer seiner Veranstaltungen im Publikum und meinte: „Warm ist es da. Guten Abend, Herr Tolar!“ Har har. Das Publikum hat nicht ihm, sondern mir applaudiert. Meine Lehre aus meinem Leben? Warte nicht, bis man dich befreit, befreie dich selbst. Du hast das Recht dazu, genau genommen sogar die Pflicht.

Titelbild: Günter Tolar | © Alexander Amon