Mein Körper. Mein Glück?

Das Geschlechtersystem ist komplex und vielfältig, so wie jede*r von uns. Wir blicken mit der Sexualmedizinerin, Paar- sowie Sexualtherapeutin und Frauenärztin Miriam Mottl und dem Trans*Mann Mike hinter die Kulissen des Themas Transgender.

Laut Miriam Mottl werden Menschen als transgender bezeichnet, deren körperliches Geschlecht zeitweise oder dauerhaft nicht mit ihrem gefühlten Geschlecht übereinstimmt. Einer dieser Menschen ist Mike, geboren als Frau. Durch die Transition kann er nun mit dem Geschlecht leben, mit dem er sich auch in seiner Gefühlswelt identifiziert. Und zwar als Mann. Mike appelliert: „Jeder Mensch sollte das Recht haben, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen.“ 

Trans*

Generell kann trans* als ein Überbegriff verstanden werden, für all jene Personen, die sich in einem geschlechtsbezogenen Wandel befinden, so die Sexualmedizinerin Miriam Mottl. Der Begriff Transsexualität dient lediglich der medizinischen Diagnose. Als Synonym wurde das Wort Transgender herangezogen, da die Geschlechtsidentität nichts mit der Sexualität zu tun hat. Weiters nennt Mottl einen dritten Begriff, den Transvestismus, welcher sich auf die sexuelle Orientierung oder den beruflichen Werdegang, zum Beispiel Travestiekünstler:innen, bezieht. Hier handelt es sich um Menschen, die mittels Kleidung und Make-Up die Rolle des eines anderen Geschlechts einnehmen. 

Sich selbst erkennen

Zu Beginn einer geschlechtsangleichenden Behandlung, verdeutlicht die Sexualmedizinerin, steht immer ein dreiteiliger diagnostischer Prozess, welcher sich aus einer psychotherapeutischen, psychiatrischen und einer klinisch-psychologischen Diagnostik zusammensetzt. Dieses Verfahren soll eine eventuell übereilte Entscheidung oder andere Diagnosen ausschließen können. Sollten sich die fallführenden Diagnostiker:innen einig sein, stehen als Folgeschritte gynäkologische oder urologische Untersuchung an sowie ein Risikoscreening”, erklärt Mottl. Erst nach all diesen Schritten, und der Zustimmung der behandelnden Ärzt:innen, kann die Hormonbehandlung starten. 

Vor dem operativen Eingriff wird meist dazu geraten, die Hormone mindestens ein Jahr lang wirken zu lassen, um sich auf den kommenden Prozess vorzubereiten. Für Mike war die Hormonbehandlung der erste Schritt Richtung Freiheit: „Die schönste Veränderung, die Testosteron mit sich brachte war, dass ich anfing mich im Spiegel selbst zu erkennen.“ Für einen operativen Eingriff, so Mottl, ist eine erneute psychologische oder psychotherapeutische Stellungnahme und eine psychiatrische Freigabe notwendig. Transpersonen lassen nicht immer die vollständigen Operationen vornehmen, da oft auch nur die Hormonbehandlungen ausreichend sind, um sich im eigenen Körper wohl zu fühlen. Mike lässt seinen operativen Eingriff Revue passieren:  „Die Mastektomie (Entfernung der Brustdrüsen) war für mich der ultimative Befreiungsschlag. Durch ein paar Schnitte, wurde mir eine unglaubliche Last von der Seele genommen. Ich hatte das Gefühl endlich frei zu sein. Ich war lange gefangen in einer Hülle, die nicht passte.“

Mike | © Privat

Die Kehrseite der Medaille 

Die Sexualmedizinerin betont, dass vor jedem Behandlungsstart ein Risikoscreening durchgeführt wird, bei dem über alle eventuellen Gefahren aufgeklärt wird. Aufgrund der Einnahme der Medikamente steigen die Risiken von Thrombose, Herzerkrankungen, Leberinsuffizienz und ähnlichen möglichen Nebenwirkungen an. Eine jährliche Untersuchung wird daher angeraten. Mottl erwähnt außerdem, dass es bisher keine Medikamente gibt, die für trans* Personen zugelassen wurden – das bedeutet, dass Medikamente verschrieben werden deren Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Transitions nicht erforscht wurden. Ebenso sind erhöhte Suizidalität- und gesteigerte Depressionsraten nachgewiesen, daher ist die therapeutische Begleitung über den gesamten Prozess anzuraten, so die Sexualtherapeutin. Vor allem auch, um die sozialen Hürden und die damit einhergehenden Ablehnung Ängste abzufangen. Ein stabiles Netzwerk von Freund:innen und Familie kann hierbei eine wichtige Stütze bieten. 

Ein Körper, der glücklich macht

Sexualität ist natürlich auch nach der Transition ein Thema, so die Sexualtherapeutin, und dank der heutigen medizinischen Technik ist ein erfülltes Sexualleben nach dem körperlichen Eingriff möglich. Lustempfinden steht bei allen Menschen im Zusammenhang mit Selbstliebe. Dafür ist es notwendig in dem Körper zu leben, in dem man sich wohlfühlt und der einen glücklich macht. Mike reflektiert: „Vor meiner Transition war jeder Tag schwer. Geprägt von Last, Wut, Enttäuschung, Leid und Einsamkeit. Heute fühle ich mich leicht, frei mich zu entfalten, voller Tatendrang und Lust, die Schönheit des Lebens zu genießen.”

Beratung: transx und RosaLila Pantherinnen

Titelbild: Mike | © Privat