Laura Méritt ist vieles: Autorin, Lachforscherin, Linguistin, Kommunikationswissenschaftlerin. Vor allem aber Feministin. Sie bezeichnet ihren Feminismus zudem als sex-positiv und begründete den PorYes-Award, der feministische Pornographie auszeichnet. Ich habe mit ihr über Sexpositivität und die Porno-Szene gesprochen.
Du bezeichnest dich selbst als sex-positive Feministin und hast den PorYes-Award ins Leben gerufen – auch anderweitig bist du gesellschaftspolitisch aktiv. Wie hast du zum Feminismus gefunden?
Wie alle jungen Frauen habe ich mich als Jugendliche für Sexualität interessiert, aber auch stark unter der Ungerechtigkeit, die in den 70er Jahren noch herrschte, gelitten. Sexualität war etwas, über das man in dieser Zeit nicht wirklich viel lernen konnte. Deswegen bin ich losgezogen in die weite Welt und habe überall meine Studien gemacht, habe sex-positive Feministinnen kennengelernt und vieles mit nach Europa genommen, so zum Beispiel Sexspielzeuge von feministischen Sexshops in Amerika.
Ich habe das dann ein bisschen übertragen auf europäische Verhältnisse und ein eigenes Konzept entwickelt mit sogenannten Freudensalons. Meine Kolleginnen und ich, das PorYes- und Freudenfluss-Netzwerk, unterstützen nach wie vor kleine Läden und faire Toys aus Kleinproduktionen.
Du bezeichnest dich und deinen Feminismus als sex-positiv. Was verstehst du unter dem Begriff?
Sex-positiv kommt aus der Frauen-Gesundheitsbewegung aus den 60er Jahren. Damals waren viele Bezeichnungen in der weiblichen Anatomie sehr negativ oder kamen gar nicht vor. Diese Bewegung hat gesagt: Wir brauchen positive, andere Begriffe, auch neutrale Begriffe in der Terminologie und wir brauchen vor allem einen anderen Zugang zu unserem Körper, einen positiven Zugang. Das heißt, dass wir die Zusammenhänge innerhalb unseres Körpers kennen, dass wir lernen, aus welchen Organen wir bestehen, wie sie miteinander zusammenhängen. Das ist ein sex-positiver Zugang.
Wer steht hinter PorYes?
Ich habe PorYes zusammen mit Polly Fannlaf entwickelt, wir sind die beiden Gründerinnen, und es hat sich ein freudenvolles Netzwerk rundherum gebildet. Das sind lauter Menschen, die wollen, dass sich etwas verändert. Es gibt einen festen Kreis von zwanzig Personen und bei jeder Aktion bilden sich immer wieder neue Kreise, jedes Jahr sind neue Leute dabei. Das ist alles ehrenamtlich, wir stemmen das gemeinsam und feiern dann auch gemeinsam.
Wie ist die Initiative PorYes entstanden?
Wir haben 2009 erstmals eine PorYes-Verleihung an feministische Pornographie veranstaltet. Wir haben regelmäßig “feminist porn watching” veranstaltet, da haben wir uns in einer Gruppe von bis zu fünfzig Personen zusammengesetzt und Pornos angeschaut und sie danach analysiert. Dadurch, dass das gut funktioniert hat, die Teilnehmenden es sehr spannend fanden und begannen, ihren eigenen Porn-Konsum zu hinterfragen, haben wir gesagt, es wäre toll, das in größerem Maß zu machen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Das haben wir mit dem PorYes-Award geschafft.
Die Verleihung ist eine große Veranstaltung, die immer im Theater stattfindet, also eine richtig schöne Show. Dort hat man Spaß, bekommt Informationen und konsumiert mit fünfhundert Leuten gemeinsam Pornographie-Ausschnnitte und lernt die Leute kennen, die sie machen.
Was macht PorYes alles?
Alles für die Verleihung vorbereiten, vor allem die Filme zusammenstellen, das Programm, die Party, Werbung und Social Media bespielen. Dann findet ja auch an dem Wochenende die PorYes-Academy statt. Wir stellen an der Humboldt Uni Akademiker:innen, Professorinnen aus verschiedenen Disziplinen vor, die Porn Studies betreiben.
Übers Jahr halten wir Vorträge und Veranstaltungen, regelmäßig auch Feminist-Porn-Watching-Salons. Und weiters ist PorYes immer wieder bei Kampagnen dabei, wie bei der Ejakulationskampagne zum Beispiel, die wir schon seit fünfzehn Jahren unterstützen.
PorYes sagt, dass herkömmliche Pornographie eine Alternative benötigt. Warum?
Die sogenannte Mainstream-Pornographie ist sehr normierend. Wenn man sich die anschaut, und man muss sie sich gar nicht bewusst anschauen, man wird auch einfach irgendwann einmal damit konfrontiert wenn man ins Netz geht (lacht), dann stellt man ganz schnell fest, dass Heterosexualität am allermeisten gezeigt wird, und ein sehr reduziertes Konzept von Sexpraktiken: Blasen, Ficken in alle Löcher, Abspritzen, der Schwanz ejakuliert und das ist dann der Höhepunkt. Alles, was anders funktioniert, ist abweichend und eine “Sonderkategorie”.
Wir lehnen diese Kategorisierung ab und auch eine derart normierte Sexualität. Nicht nur andere Sexualitäten müssen mehr gezeigt werden, auch die Bilder müssen sich verändern. Zum Beispiel, dass die Männer eher aktiv und die Frauen eher passiv sind und Dinge “mit sich tun lassen”.
Die Frauen empfangen immer und werden zugerichtet, sie müssen total viel ackern, das ist sehr diskriminierend. Aber es ist nicht nur sexistisch, sondern auch hochgradig rassistisch, ableistisch, ageistisch. Wir sagen, das geht anders und das muss sogar anders sein. Wir müssen von dieser normierten Sexualität wegkommen, denn viele Personen schauen ja Pornos, um sich Anregungen zu holen. Deshalb wollen wir Pornos zeigen, die alles anders, ja, besser, machen. Da wird kommuniziert während dem Sex, da wird vorsichtig miteinander umgegangen, da werden auch Menschen gezeigt, die nicht mehr jung sind, wo sich die Haut bereits verändert hat, wo der Höhepunkt des Mannes nicht automatisch das Ende ist und der Höhepunkt nicht gleich Ejakulation is.
Da gibt es also tausend Sachen, die man anders machen kann (lacht).
Es gibt immer mehr Selbstständigkeit in der Pornographie, zum Beispiel durch OnlyFans. Wie findest du das?
Ich finde es gut, dass jede Person die Produktion selbst in die Hand nehmen und selbst Regie führen kann, das ist demokratisierend. Aber tatsächlich werden dadurch nicht weniger Normierungen gezeigt. OnlyFans ist ein Schritt in die Demokratisierung der Produktion, aber die Inhalte sind dadurch noch nicht sehr vielfältig geworden.
Dafür braucht es Unterstützungen von feministischer Pornographie, auch staatliche Subventionierungen vielleicht. Sie könnte auch in den Bildungskanon der Schulen aufgenommen werden, genau wie gute Literatur. Genauso sollte sie sich kulturelle Auszeichnungen verdienen können.
Mehr zu PorYes gibt es unter www.poryes.de. Die nächste Verleihung findet von 21. bis 23. 10 2023 statt.
Titelbild: Laura Méritt | © Polly Fannlaf
studiert im ersten Semester Sprachwissenschaften an der Universität Graz. Ob fiebrig vor sich hinschreibend im Park, in ein Buch vertieft in der Straßenbahn sitzend oder gedankenverloren durch die Stadt spazierend – egal, wie man sie antrifft, es kommt selten vor, dass einem dabei nicht auch der Geruch ihrer stets gefüllten Kaffee-Flasche entgegen weht. Wenn sie einmal nicht lernt oder Aufzeichnungen von Vorlesungen ansieht, geht sie auch gerne ihrer Leidenschaft für Musik nach – mal singend, mal wild und gut gelaunt durch die Wohnung tanzend.