Georg Kroneis ist der Inbegriff von vielschichtig: Nicht nur in seinen Tätigkeitsbereichen und Interessen, sondern auch in seiner Persönlichkeit. Als erfolgreicher Musiker und Performance-Künstler war er dieses Jahr auch bei den Porn Nights Graz als Auftakt für das Programm zu Gast. Vor seinem Auftritt habe ich mit ihm über seine Musik, Kunst und sein variantenreiches Auftreten gesprochen.
Du bist Musiker, Künstler und Mr. Bear 2015. Wie beschreibst du dich denn selbst?
Oh, je nachdem, mit wem ich rede. Manchen sage ich, dass ich Elektrotechnik studiert und auch in diesem Bereich gearbeitet habe; anderen sage ich, dass ich Alte Musik studiert habe und mich danach weiterentwickelt habe, jetzt meine eigenen Songs schreibe; manchen sage ich, ich bin Singer-Songwriter. Und alles stimmt, aber nichts stimmt irgendwie.
Ich habe ein Ensemble, das heißt Arthouse Seventeen, da produzieren wir kleine Shows oder kleine Opern für Alte- Musik-Festivals in Europa, also Musikproduzent bin ich auch. Und es ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Manchmal habe ich das Bedürfnis, jemandem zu erzählen, dass ich Escort war, bei manchen würde ich das wiederum auf keinen Fall sagen. So bin ich für jede:n was anderes, oder kann ich bei jeder:m jemand anderes sein oder werden.
Du verbindest klassische Musik mit Fetischkleidung. Was willst du damit ausdrücken?
Es gibt davon zwei Varianten. Eine mache ich heute beim Auftakt zu den Porn Nights Graz, wo ich im Lederfetisch, früher auch schon mal nackt, auftrete und einfach meine Musik mache. Ich trage also meinen Fetisch und mache dabei meine Musik. Ich spiele Viola da Gamba, und die Kombination ist natürlich an sich sehr ungewöhnlich, also Viola da Gamba und Lederkleidung anziehen – das passt im ersten Moment nicht zusammen. Aber ich denke mir einfach, wieso nicht?
Die zweite Spielart ist mein Ensemble Fetish Baroque, wo mehrere Leute im Fetisch-Outfit spielen, aber auch Barock-Musik. Das ist sehr toll, wir sind bei Alte-Musik-Festivals eingeladen als Fetish Baroque. Das nächste Mal Anfang Juli 2023 bei der Styriarte in Graz. Und dort sind wir wirklich, um normales, barockes Programm zu machen.
Nächstes Jahr spielen wir in Graz unter dem Titel “Superheroes” Arien von Superhelden. Einerseits bringen wir die Fetisch-Welt in die klassische Alte Musik-Szene, und anders herum spielen wir auch auf der Antwerpen Leather Pride, und da bringen wir in die Fetisch-Welt die klassische Musik. Ich finde es schön, dass wir zumindest versuchen, diese Welten zu verbinden.
In einem Interview hast du einmal gesagt, dass du dich nicht als schwul oder queer vorstellen würdest, und dass du sapiosexuell bist. Warum willst du dich nicht festlegen?
Das Festlegen ist so eine Sache. Ich habe früher auch Frauen gehabt und kann nicht ausschließen, dass ich auch in Zukunft wieder was mit Frauen haben werde. Die Männer, die ich habe, sind alle völlig unterschiedlich – also diese ganze Kategorisierung funktioniert für mich nicht. Ich habe auch keinen speziellen Typ, der mich anspricht. Außer wenn mir jemand etwas mit Begeisterung erklären und mich auch dafür begeistern kann, das finde ich unglaublich attraktiv.
Da gehe ich durch ein Museum mit jemandem und er macht es interessant. Alleine wäre es langweilig für mich (lacht). Und das sind meiner Ansicht nach eher intelligente Menschen, und darauf steh ich: Das nennt man sapiosexuell. Klar kann man mich als schwul bezeichnen, und als queer auch, aber ich würde selbst nicht auf die Idee kommen, und mich so vorstellen sowieso nicht. Für mich ist das kein Thema.
Heute performst du in Graz mit “if love’s a sweet passion”. Was willst du mit dem Programm sagen?
Es gibt unterschiedliche Stücke. Manche sind aus der Zeit von Shakespeare, also so um 1600, und da gehört eben “if love’s a sweet passion” dazu, das ist der Name von einem Stück von Henry Purcell. Der Text hat zum Inhalt: Wenn die Liebe so schön ist, warum tut sie dann so weh? Und da geht es auch um den Liebespfeil von Amor: Wenn der einen trifft, dann tut es weh, und zugleich ist es auch schön.
Diesen Schmerz kann man auch im erotischen Sinne verstehen oder im Sinne von BDSM. Deswegen sieht man dann auch auf den Videos hinter mir beispielsweise auch, wie sich eine Künstlerin selbst Nadeln durch die Haut steckt. Es ist ihre Kunst, ihre Art, über ihren Körper zu herrschen, und damit auch zu sagen, dass niemand sonst über ihren Körper herrscht. Diese Verbindung von etwas Altem, also die Alte Musik mit moderner Performance, finde ich sehr reizvoll. Und ich spiele auch Lieder, die ich selbst geschrieben habe, in denen dasselbe thematisiert wird.
Eine Textpassage von mir geht so: “I can’t quit loving, but I don’t care who”. Das ist mein Escort-Song sozusagen. Ich würde mich nicht als pansexuell bezeichnen, aber ich mag schon eine große Palette an Menschen. Und der Text thematisiert auch, dass ich dafür mal Geld genommen habe. Allgemein ist also auch diese Performance sehr vielschichtig. Genau wie ich.
Titelbild: Georg Kroneis bei den Porn Nights Graz | © Julia Schuster
studiert im ersten Semester Sprachwissenschaften an der Universität Graz. Ob fiebrig vor sich hinschreibend im Park, in ein Buch vertieft in der Straßenbahn sitzend oder gedankenverloren durch die Stadt spazierend – egal, wie man sie antrifft, es kommt selten vor, dass einem dabei nicht auch der Geruch ihrer stets gefüllten Kaffee-Flasche entgegen weht. Wenn sie einmal nicht lernt oder Aufzeichnungen von Vorlesungen ansieht, geht sie auch gerne ihrer Leidenschaft für Musik nach – mal singend, mal wild und gut gelaunt durch die Wohnung tanzend.