Vom Funkschloss zur Bühne

Jodie Fox gibt es noch nicht lange – vor etwas über einem Jahr hat Robert Drag für sich entdeckt. Was als geheimes Experiment begonnen hat, hat sich schnell zu einer brennenden Leidenschaft entwickelt. Wir haben über Drag, Ängste und Ambitionen gesprochen.

Wie hast du zum Drag gefunden und was bedeutet Drag für dich?

Drag ist für mich Freiheit, grenzenloser Spaß und Lernen – es gibt so viel zu lernen. Es hat eigentlich als Experiment begonnen. Ich hatte sehr lange keine Beziehung mehr und habe auch die Risikolust verloren, eine neue Beziehung zu suchen. Dadurch ist aber ein weibliches Vakuum in meinem Leben entstanden, das ich irgendwie füllen musste. Da ich selbst so viel Weiblichkeit in mir trage, habe ich beschlossen, es mit mir selbst zu füllen.

Also bin ich dann einfach mal Schuhe kaufen gegangen. Und dabei ist es nicht geblieben – es kamen auch Perücken in allen möglichen Ausführungen dazu, Kleider, Make Up, noch mehr Schuhe (lacht). Doch das habe ich eigentlich alles sehr lange versteckt, vor allem vor meinem Sohn. Ich habe sogar ein Funkschloss an meinem Kasten angebracht, damit er es nicht bemerkt. Ich hatte große Angst vor seiner Reaktion.

Wie konntest du diese Angst letztendlich überwinden?

Ein Urlaub mit Freunden war der Knackpunkt. Ich habe meine Freunde dann einfach damit konfrontiert und bin dann auch einmal in Drag in eine Cocktailbar gegangen. Dort war ich dann die ganze Nacht und es war super. Nach dieser positiven Resonanz war meine Angst kleiner. Und es war auch einfach logisch! Denn mir ist klar geworden, dass das nicht eines dieser Hobbys sein wird, die ich nach kurzer Zeit wieder aufgebe.

Das Verstecken war zudem anstrengend – also musste ich es ihm einfach sagen. Und ich bereue es auch nicht, das Verhältnis zu meinem Sohn ist seither noch besser als zuvor. Das Vertrauen, das zwischen uns entstanden ist, ist gigantisch – einfach ein Jackpot.

Gibt es Orte, an denen du dich in Drag noch unwohl fühlen würdest?

Nein. Aber es gibt Orte, die ich als Mann nie aufsuchen würde, in Drag aber schon. Zum Beispiel würde ich liebend gerne mal auf den Bauernbundball gehen. Ich denke, dort sind recht viele konservative Leute – und wenn man Drag macht, möchte man immer auch ein bisschen provozieren.

Wenn man nachts unterwegs ist, kann es schon sein, dass einem mal ein paar Jugendliche fiese Sachen hinterher rufen – aber dann drehe ich mich um, werfe ihnen Küsse zu und wackele gleich noch mehr mit dem Hintern. Unwohl fühlen würde ich mich tatsächlich nirgends mehr.

Wie fühlst du dich, wenn du in Drag unterwegs bist? 

Wie auf Urlaub. Ich lese zum Beispiel eigentlich jeden Tag die Zeitung, weil ich gerne informiert bin – das kann auch belastend sein. Aber wenn ich in Drag bin, blende ich alles aus und habe einfach nur Spaß, selbst wenn die Füße noch so weh tun (lacht). Und ich finde es wundervoll, Teil dieser bunten Community geworden zu sein.

Bevor ich Drag für mich entdeckt habe, habe ich mich als hetero Mann gefühlt, habe die LGTBIQ-Community zwar akzeptiert und toleriert, aber war nie ein Teil davon. Jetzt bin ich es und es fühlt sich an, wie in ein rosarotes Bett aus weicher Watte zu fallen. Ich fühle mich so angenommen und habe schon so viele tolle Leute kennengelernt, die mir weitergeholfen haben. 

Wie nimmst du die queere Community wahr, jetzt, wo du Teil davon bist? 

Ich denke, dass es auch innerhalb der Community viel Intoleranz gibt, leider. Aber ich bin überzeugt davon, dass Drags hier eine vermittelnde, verbindende Rolle einnehmen können und sollen. Ich zum Beispiel würde sofort etwas sagen, wenn ich Intoleranz bemerke. 

Jodie Fox | © Sabrina Petz

Was würdest du Personen raten, die Drag gerade für sich entdecken, sich aber noch nicht ganz trauen?

Also zuerst einmal einen finanziellen Polster (lacht). Es kostet alles sehr viel Geld, damit rechnet man gar nicht. Ich musste sogar einen kleinen Kredit aufnehmen, um mir all die Kleidung, Perücken und das Make Up leisten zu können, das glaubt man gar nicht! Und wer Angst hat, sollte sich vielleicht Freund:innen anvertrauen und mal mit ihnen gemeinsam in Drag wo hingehen. Echte Freund:innen machen das auch.

Du warst am CSD in Graz sehr präsent, bist am Lustspielwagen in einem Hochzeitskleid gefahren und wurdest von allen Seiten bewundert und fotografiert. Wie hast du dich dabei gefühlt? 

Wie eine Jahrmarktsattraktion (lacht). Aber es hat unglaublichen Spaß gemacht. Als Dragqueen oder -king, bekommt man naturgemäß sehr viel Aufmerksamkeit, damit muss man umgehen können. Man darf es jedoch nicht wegen der Aufmerksamkeit machen, das wäre ein großer Fehler. 

Könnte Robert auch mit dieser Aufmerksamkeit umgehen?

Gute Frage! Ich denke, schon. Aber ich würde rot werden, wenn Jodie rot wird, sieht man das unter dem Make Up nicht. 

Du hast in deinem Leben schon sehr viel Unterschiedliches gemacht und erreicht. Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich bin dazu eingeladen worden, bei einem Theater mitzuspielen, als Drag-Kellnerin, die einen Poledance-Auftritt hat. Seit Monaten besuche ich jetzt einen Poledance-Kurs und trainiere darauf hin. Als großer Theater-Fan ist das eine riesengroße Ehre für mich und ich freue mich wahnsinnig darauf. Bis dahin werde ich trainieren und jede Gelegenheit nutzen, in Drag unterwegs zu sein. Andere Ziele habe ich derzeit nicht, damit alleine gehen mir schon Träume in Erfüllung, die ich niemals zu träumen gewagt hätte!

Was würdest du unseren Leser:innen gerne mitgeben?

Es ist wichtig, im Leben niemals stehen zu bleiben. Für mich wäre es unvorstellbar, nach der Arbeit einfach heimzukommen, mich vor den Fernseher zu setzen und ein Bier aufzumachen. Es braucht Leidenschaft im Leben, das macht es erst lebenswert. Und man sollte sich immer weiterbilden, lernen, weiter vom Fleck bewegen und wachsen!

Titelbild: Jodie Fox | © Sabrina Petz