Jetzt ist sie auch bei uns in Österreich medial groß angekommen: Die Diskussion darüber welche Rechte trans Personen (nicht) haben sollten, dürfen, müssen, können, wollen. In den letzten Jahren haben Hetze, Hass, Gewalt gegen trans Personen, die davon geprägte Berichterstattung der Massenmedien und das in Kraft treten von trans-feindlichen Gesetzen weltweit mehr und mehr zugenommen.
Seit der geplanten Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes in Deutschland gehen nun auch im deutschsprachigen Raum die Wogen hoch. So auch Mitte Juli, als die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi von Florian Klenk im Falter interviewt wird und Transfeindlichkeit auf einmal medial vor meiner eigenen Haustüre steht.
Ich bin eigentlich nur müde. Müde davon, dass einer zurzeit amtierenden Nationalratsabgeordneten in einer sich als linksliberal propagierten Zeitschrift Raum für Hass und Gewalt gegeben wird. Müde davon, dass der sie interviewende Chefredakteur munter auf den Terf-Zug aufspringt und das Ganze auch noch auf eine populistische Spitze treibt. Müde davon, in eine Debatte hineingezogen zu werden, die eigentlich keine ist. Nein, die gar keine sein sollte.
In einer Debatte gibt es zwei Seiten. Hier nicht. Was hier nämlich gemacht wird, ist darüber zu diskutieren, ob Menschen wie ich das Recht haben zu existieren. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Es gibt eine Gruppe von Menschen, die so existieren wollen wie sie sind, gesellschaftlich gleichberechtigt und ohne dabei Hass und Gewalt ausgesetzt zu sein. Und dann gibt es eine Gruppe, die diesen Hass und diese Gewalt ausübt. Deren Hetze und Verbreitung von Falschinformation aktiv dazu führt, dass trans Personen, besonders Schwarze trans Personen und trans Personen of Color, auf institutioneller, systematischer und gesellschaftlicher Ebene disproportional tödlicher Gewalt ausgesetzt sind.
Das Ganze überhaupt als “Debatte” hinzustellen ist eine besonders perfide Strategie: Denn so wird schlagartig aus einem Überlebenskampf ein Diskussionsfeld in dem Gewalt als sogenannte “Kritik” legitimiert wird. Dabei wird mit allerlei Argumenten um sich geworfen, die von pseudowissenschaftlich bis faschistisch alle Bandbreiten an Geschwurbel und Gewalttaten abdecken. Ihr könnt mir jetzt gerne mit euren Argumenten kommen, mit dem vermeintlichen Kinderschutz, mit Redefreiheit, mit falschen Statistiken, mit frei erfundenen Erlebnissen und sogar mit der völlig lächerlichen Überzeugung, dass sich hier gerade eine “autoritäre Sekte” aufbaut. (Als ob wir trans Personen überhaupt die strukturelle und institutionelle Macht hätten, autoritäre Sekten zu etablieren.)
Worauf diese Diskussionen zwangsweise immer hinauslaufen, egal welches Ablenkungsargument auch vorgebracht wird, ist es einer Gruppe von Menschen ihre Existenzberechtigung abzusprechen. Ihre Erfahrungen zu diskreditieren, ihren Aktivismus, der auf strukturelle Ungleichheiten, Diskriminierungen und (täglich) gelebte Gewalterfahrungen aufmerksam machen soll, als Angriff darzustellen und sie zu einem gesellschafltichem Feindbild zu konstruieren.
Ich will eigentlich nicht mit solchen Menschen diskutieren (müssen). Ich beschäftige mich schon in meiner Wissenschaft damit, solch Unwahrheiten zu widerlegen und die dahinter arbeitenden Machtstrukturen zu offenbaren, da brauche ich diesen ständigen Kampf in meinem Alltag nicht auch noch. Ich will nicht andauernd, Tag für Tag meine eigene Existenz, meine Lebenserfahrungen, meine Gefühle abgesprochen bekommen. Ich will nicht dafür zuständig sein (unbezahlte) Aufklärungsarbeit leisten zu müssen.
Ich will nicht dagegenhalten müssen, gegen eine Flut an Unwahrheiten, Hass und Gewalt, die immer mehr und mehr wird. Während ich immer und immer kleiner werde. Ich will nicht sehen wie andere trans Menschen daran leiden. Zerbrechen. Tagtäglich. Ich will diesen Artikel eigentlich gar nicht schreiben. Ich will mir einfach nur die Decke über den Kopf ziehen und verschwinden. Aber selbst unter der Decke kann ich mich nicht wehren, gegen die ständigen Angriffe, die auf uns hereinprasseln. Die die Decke schwerer und schwerer machen, bis ich das Gefühl habe zu ersticken.
Aber ich stehe doch immer wieder auf. Ich muss. Denn es geht um meine Existenz.
Vieles ist schon zu dem eingangs erwähnten Interview geschrieben worden. Abermals waren es überwiegend trans Personen, die unbezahlte Aufklärungsarbeit leisteten, während viele cis-endo Menschen dazu schweigen oder Altbewährtes wie “das wird man ja wohl noch sagen dürfen!” als lapidare Verteidigung vorbrachten. Wieviel Hass, Gewalt, und vor allem Falschinformation in dem Interview stecken wird dabei ignoriert. Also hier nochmal das Gröbste im Schnelldurchlauf:
Der (übrigens nachgeholte) Vortrag an der Humboldt-Universität wurde nicht wegen des Inhaltes abgesagt, hätte aber aus genau diesem Grund eigentlich abgesagt werden sollen. Denn er wurde von einer fachfremden Person durchgeführt, hatte nichts mit dem tatsächlichen Forschungsgebiet der Vortragenden zu tun und entsprach in keinster Weise der Themenvorgabe der langen Nacht der Forschung. Was eine Doktoratsstudierende der Meeresbiologie (mit Fokus auf Verhaltensphysiologie) großartig über eine angebliche “biologische” Geschlechterbinarität auch und vor allem in Hinsicht auf Menschen referieren kann, ist mir nach wie vor nicht eingängig. J.K. Rowling wird nicht kritisiert, weil sie das Wort “Frauen” benützt, sondern weil sie Hass und Gewalt gegen trans Personen verbreitet.
Zu behaupten Menschen mit Penis könnten nicht lesbisch sein/Frauen hätten nie Penisse ist transphob (und interphob) – und Verfechter:innen dieser Sichtweise auf ihre gewalttätigen Aussagen aufmerksam zu machen ist keine Attacke, kein Verbot und kein Angriff. Terfs machen weitaus mehr als nur darauf zu bestehen “Frauen” genannt zu werden – und überhaupt, kein einziger Mensch will einer anderen Person das Recht nehmen, eine Frau zu sein und auch als solche bezeichnet zu werden. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es wäre eigentlich lustig, wenn es nicht solch tragische Konsequenzen hätte.
Terfs wie Alice Schwarzer, J.K. Rowling, Kathleen Stock, Marcy Gray und ja, auch Marie-Luise Vollbrecht und Faika El-Nagashi werden nicht eingeschüchtert weil sie sich zu Wort melden. Sie werden überhaupt nicht eingeschüchtert, Punkt. Sie werden kritisiert weil sie (aus ihren strukturellen Machtpositionen heraus) Hass, Gewalt und Falschinformationen verbreiten. Und sie als Terfs zu bezeichnen ist auch keine Beschimpfung.
Wäre Judith Butler vielleicht ein bisschen eingehender gelesen worden, dann wäre erkannt worden, dass Butler sehr wohl auch die Konstruktion eines sogenannten biologischen Geschlechtes aufzeigt und es gleichfalls des sozialem Geschlechtes als gesellschaftliches Konstrukt zur ideologischen Instrumentalisierung ohne tatsächliche faktuelle Basis entlarvt. Männer werden nicht zu Frauen durch Selbsterklärung – Frauen werden durch Selbsterklärung hoffentlich bald auch rechtlich als Frauen anerkannt. So sollte dieser Satz eigentlich richtig heißen. Und nein, keine Person will sich hier Zugang zu geschützten Räumen erschleichen, das ist schlichtweg absurd.
Erstens wissen wir, dass es für cis-endo Männer weitaus einfachere Wege gibt andere Menschen sexuell zu belästigen (mensch braucht nur in ihrem vagen Umfeld zu existieren), andererseits gibt es sehr wohl Langzeitstudien die belegen, dass sich durch die Inklusion von trans Frauen in solche Räume genau eines an der Sicherheit geändert hat: Nämlich gar nichts. Vereine und Organisationen die transphob sind und Hass und Gewalt verbreiten sollten auch keine Fördergelder bekommen. Trans Frauen sind keine biologischen Männer, egal welche Schritte zur Transition sie unternommen haben (oder nicht). Dass ich den Satz überhaupt tippen muss. Unglaublich.
Diskursräume werden durch Transphobie zerstört, nicht trans Aktivismus. Es wird ja wohl nicht von mir erwartet, in einem Raum, der offen feindlich und gewaltvoll mir gegenüber ist, über meine Existenz mit Menschen zu diskutieren, die mir diese Existenz und Gleichbehandlung absprechen wollen. Mit solchen Menschen will ich nicht reden, muss ich nicht reden und ihnen Aufmerksamkeit, Wirkungsmacht und Plattformen für ihre Hassreden zu entziehen ist die Konsequenz ihres eigenen gewaltvollen Handelns. Der Begriff “weiblich gelesene Personen” ist sehr hilfreich um komplexe Sexualisierungs- und Diskriminierungserfahrungen darstellen zu können.
Ich kann weiblich gelesen werden aber nicht weiblich sein – ich kann nicht weiblich gelesen werden und weiblich sein. Wer ich bin entscheide immer noch ich und das wird mir auch nicht abgesprochen. Doch wie eine heteronormative Mehrheitsgesellschaft mich liest und dementsprechend behandelt, hängt leider immer noch stark von Äußerlichkeiten ab. Oh und wenn wir schon dabei sind: In der Medizin ist es ungemein hilfreich etwa von “Personen mit Uterus” zu sprechen, wenn es um Themen wie Menstruation, Schwangerschaft oder Abtreibung geht. Denn nicht alle Personen mit Uterus sind weiblich. Und nicht alle weiblichen Personen haben einen Uterus (oder Zyklus oder werden schwanger).
Die deutlichen Worte, die Rowling für die Rechte von trans Personen findet, sind halt zwar schon deutlich aber deutlich hasserfüllt – sollte vielleicht auch dazu erwähnt werden. Diese angeblichen Berichte über männliche Sexualstraftäter, die die geschlechtliche Selbstbestimmung missbrauchen sind a) frei erfunden, b) wissenschaftlich unfundiert und c) wurden wohl von einer Person vorgebracht, die keine Ahnung hat wie schwer es ist (vor allem im Strafvollzugssystem) als trans Person zu existieren. Ja, es gibt immer mehr trans und nicht-binäre Jugendliche – und das ist nicht nur wunderschön sondern auch sehr einfach erklärbar: Eine Kombination aus vermehrter Repräsentation solcher Geschlechtsidentitäten, sowie größere gesellschaftliche Akzeptanz führen dazu, dass viele Jugendliche schneller zu sich selbst finden.
Nochmals: Wer glaubt, insbesondere in Schweden oder Großbritannien einfach mal so locker flockig Hormone verschrieben zu bekommen, hat sich noch nie mit den dortigen Lebensrealitäten und nötigen bürokratischen Hürdenläufen auseinandergesetzt. Wisst ihr welche Hormonpräparate aber auch bei uns total gerne, schnell und ohne viel Nachfrage Jugendlichen praktisch nachgeworfen werden? Die Pille. Oh und ja geschlechtsanpassende irreversible operative Eingriffe werden tatsächlich an Kindern und Jugendlichen durchgeführt – und das oft mit schädlichen Langzeitfolgen und ohne deren Zustimmung. Nur sprechen wir hier nicht von trans Personen, die sich bewusst für diese Option entscheiden, sondern von intersex Personen, denen, oft schon unmittelbar nach der Geburt, medizinisch Gewalt angetan wird, um eine falsche Geschlechtsbinarität aufrecht zu erhalten.
Eins noch: Den Begriff Terf finde ich auch falsch. Solche Personen dürften nämlich eigentlich nicht als Feminist:innen bezeichnet werden.
Titelbild: Symbolbild | © Markus Spiske on unsplash.com
absolviert derzeit ein Doktorat der Geisteswissenschaften mit Fokus auf Medienkulturwissenschaften, sowie einen Master in interdisziplinären Geschlechterwissenschaften an der Universität Graz. Seit 2019 unterrichtet dey als Lektor*in auch Kurse zu Feminismus, Intersektionalität und Queerness an derselben. Parallel dazu beschäftigt sich dey mit den Themen Geschlecht, Sexualität und Körperlichkeit(en) auf der Bühne. Seit 2016 ist El(l)i als künstlerische und organisatorische Leitung Teil der Theatergruppe Pennyless Players und seit 2019 Teil des Künstlerkollektivs Peace Babies.