Abtreibung unter Beschuss

„My body, my choice“, „We can’t go back” und “ Abortion is a human right” kann man auf den zehntausenden Schildern lesen, die Protestierende dem Obersten Gerichtshof entgegenstrecken. Nachdem die Roe vs. Wade Legislatur im Juni 2022 gekippt wurde, rollt eine Protestwelle durch die USA. 

Menschenrecht vs. Kindesmord

Roe vs. Wade hat seit 1973 das verfassungsmäßige Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gesichert. Mit der Abschaffung wurde der Zugang zu Abtreibungen zu einem staatlichen Thema – ergo, jeder der 50 US-Staaten kann selbst entscheiden, ob und in welchem Ausmaß Schwangerschaftsabbrüche angeboten werden. Mittlerweile sind sie in zehn Staaten, wie Texas und South Dakota, komplett verboten. In sieben weiteren Staaten wird es sehr wahrscheinlich bald zu einer Änderung des Gesetzes kommen, sodass dort auch keine Schwangerschaftsabbrüche mehr angeboten werden können (Stand 9. Juli 2022).

Präsident Biden sagt, dass Amerikaner:innen ein wichtiges Menschenrecht weggenommen wurde. Andere Politiker:innen und religiöse Verbindungen sehen das nicht so – sie sprechen von einem der wichtigsten Tage der US-Geschichte, auf den sie seit Langem warten. Für viele religiöse Personen handelt es sich bei Abtreibungen um Mord, da sie bereits den Zellklumpen im Bauch als Kind ansehen. Pro-Choice-Aktivist:innen befürchten, dass vor allem Missbrauchsopfer unter der Situation leiden und an ihre Missbraucher gebunden sein könnten.

Ein Fall, der im Juli weltweit durch die Medien ging, drehte sich um eine zehn Jahre altes Mädchen, das im Zuge einer Vergewaltigung schwanger geworden ist. Da in ihrem Heimatsstaat Ohio keine Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche mehr möglich sind, musste sie in das angrenzende Indiana fahren, wo der Abbruch durchgeführt werden konnte.

Symbolbild | © Gayatri Malhotra on unsplash.com

Tabu vs. Spitzenzahlen

Doch auch Österreich kann sich nicht mit einer außerordentlich guten Schwangerschaftsabbruchlage rühmen. Denn nach wie vor stehen Abtreibungen im Strafgesetzbuch – jedoch ist die Tat nicht strafbar, wenn der Abbruch innerhalb der ersten drei Monate durchgeführt wird. Der Fakt, dass Abbrüche noch immer Straftaten sind, führt zu einer Tabuisierung des Themas – kaum eine betroffene Person spricht offen darüber. Trotzdem hat Österreich eine der höchsten Abbruchsraten in Europa; Schätzungen belaufen sich auf 30.000 Abtreibungen pro Jahr.

Die hohen Zahlen widerlegen in gewisser Weise die Annahme, dass es in Österreich einen schlechten Zugang gibt. Jedoch gibt es vor allem im ländlichen Bereich und in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol und dem Burgenland einen akuten Ärzt:innenmangel, die Abbrüche anbieten. Und das, obwohl es durch die Zulassung der Abtreibungspille Mifegyne im Frühjahr 2020 niedergelassenen Fachärzt:innen ermöglicht wurde, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

In Österreich gibt es einige öffentlich bekannte Stellen, die für zwischen 300 und 1000€, die von der betroffenen Person selbst zu bezahlen sind, Abbrüche durchführen. Durch diese Einrichtungen ist der Zugang in Österreich zumindest gesichert. 

Wenn nun Personen, die schwanger werden können, wie in den USA der Zugang zu Abbrüchen verweigert wird, wird das an der Anzahl durchgeführter Abbrüche wenig ändern. Denn es werden nicht Abtreibungen per se abgeschafft – sondern nur eine sichere, geregelte Durchführung.

Titelbild: Symbolbild | © Gayatri Malhotra on unsplash.com