Alice Moe alias Eric big Clit ist ein:e in Wien lebende:r Aktivist:in, der:die als DragKing auf der Bühne steht. Der:die Künstler:in möchte zum Nachdenken und zur Selbstreflexion anregen. Unsere beiden Querformat-Fotografinnen haben sich mit ihm:ihr zum Gespräch getroffen.
Was muss man über dich wissen?
Ich bin ein total sensibler und herzlicher Mensch, habe aber auch eine sehr wilde und verspielte Seite an mir. „Wild at art but mild at heart“ beschreibt mich sehr gut. Ich bin ein sehr nachdenklicher Mensch, der leider irgendwo zwischen Peoplepleaser und Rampensau steht und der seinen Prozess selber macht.
Ein Mensch, der auch sehr großzügig teilt und die Notwendigkeit sieht gewisse Themen auf die Bühne zu bringen, um Erkenntnisse weiterzugeben. Ich bin der Meinung, dass jeder einen gewissen Grundrespekt verdient und jeder verdient in seiner Rolle Wertschätzung, auch wenn wir unterschiedliche Lösungsansätze haben. Das ist mir als Mensch sehr wichtig.
Wie bist du zu deiner Kunstfigur gekommen?
Irgendwie habe ich es gespürt, dass ich das tun muss – der General Eric BigCLit – ich bin selbst links und finde die Bewegung von gewissen Parteien einfach furchtbar. Familiär war auch ich sehr konfrontiert. Der Fakt, dass Männer, die in den Krieg müssen traumatisiert zurückkommen und was diese toxische Männlichkeit, egal ob jetzt bei Männern oder bei Frauen, mit Menschen macht sind alles starke Einflüsse.
Deswegen war mein erstes Lied von Mulan – sei ein Mann, weil ich mich auch ein bisschen mit der Geschichte identifizieren konnte. Am Land bist du eigentlich nur etwas wert, wenn du ein Cis-Mann bist. Ich habe nie ins Spektrum männlich/weiblich gepasst. Ich muss nicht immer nur der Gute sein oder Schönheit zeigen, sondern als Künstler auch vielleicht die Anti-Heroes die eigentlich keiner sein, keiner sehen will aber vielleicht zu gewissen Anteilen doch auch in sich trägt, verkörpern.
Inwiefern unterscheidet sich deine Kunstfigur Eric von Alice privat?
Ich glaube meine Kunstfigur hat mehr Konzept als Alice. Alice ist schon witzig und gern unter Leuten, ich bin aber jetzt nicht so die Rampensau. Alice ist viel sensibler, viel feiner, viel ruhiger und sanfter. Ich habe das Gefühl, wenn man als Künstler*in Raum kreiert, ist er auch wirklich da, also man ist wirklich ein Medium. Man sollte seine Verantwortung da auch ernst nehmen und dankbar dafür sein.
Warum ist es dir wichtig, mit deinen queer-feministischen Botschaften auf die Bühne zu gehen?
Mein Ziel ist eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung und damit Veränderung stattfindet müssen alle mithelfen. Ich finde es super, Prozesse anzuregen und nehme das Wort „linksradikal“ sehr wörtlich. Radikal kommt von „radix = die Wurzel“, das heißt dem Ursprung des Problems auf den Grund zu gehen. Und zwar richtig! Nicht nur oberflächlich und mit Zeigefinger. Viele Wege führen nach Rom und das ist halt meiner. Mit meiner Kunst möchte ich Leute anregen nachzudenken und Mut machen zur Selbstreflexion.
Was sind deine Botschaften?
Manchmal muss man die Transformation sein, die man sich wünscht und ins Tun kommen.
Wir wollen das Patriarchat detoxen und wir wollen, dass es weg ist. Daran sind mehr Gender und Rollen beteiligt, als nur Mann und Frau. Es geht darum, dass die Weiblichkeiten heilen kann. Das hat für mich nicht unbedingt mit einer Geschlechterrolle oder sonst etwas zu tun, sondern wir wollen, dass alle heilen denn das ist die letzten Jahrhunderte zu kurz gekommen.
Siehst du dich als Vorbild?
Als Vorbild würde ich jetzt nicht sagen. Ich sehe mich eher als Beispiel wie es sein könnte oder wie ein Prozess möglicherweise aussehen kann. Das Wort Vorbild ist sehr schwierig, da man ja sagt „kill your darlings“ und in diese Rolle will ich nicht.
Ich bin bereits genug Projektionsfläche auf der Bühne und die Leute können das privat leider eh nur schwer trennen. Wenn ich mich aktuellen Prozessen stelle, übernehme ich als Künstlerin meine Verantwortung und bilde mein Empfinden ab. Ich bin daher eine Abbildung.
Gibt es für dich als provokative*n Künstler:in noch Grenzen, welche du dich noch nicht traust zu überschreiten?
Ich würde eher sagen ich bin frech – und ein Lauser vielleicht. Aber als so richtig provokant empfinde ich mich gar nicht. Ich fühl mich nackt einfach wohl. Aber ich denke manchmal einfach: Kontext, was ist das Ziel? Was ist das Positive? Was könnte das Negative sein? Was überwiegt?
Ich bin teilweise schon okay damit, gehasst zu werden, vielleicht im Schlimmsten Fall für Sachen, wo ich mir denke, das war jetzt aber eine wichtige Message. Grenzen in dem Sinn vielleicht, wo ich mir auch selbst nicht schaden sollte, wo ich mir denke, ist das die Message wirklich wert, dass ich dann die geballte Emotion abbekomme, als Mensch?
Was willst du als genderfluider Mensch deinen genderfluiden Mitmenschen mit auf dem Weg geben?
Mut, dass der Mensch, der man ist, vollkommen okay ist. Keiner ist in seiner zugeschriebenen Rolle wirklich glücklich. Einfach selbstbestimmter wirklich handeln, und auf seine Ressourcen und Grenzen achten. Ich muss gar kein Arschloch sein, weil ich mich eh selbst lieben kann? Cool!
Gibt es eine Message, die du nicht-queeren Menschen mitgeben willst?
IHR SEID NICHT NORMALER ALS WIR. Wir sind gleich wertvoll. Und ihr ebenso.
Habt den Mut euch zu erkunden, habt den Mut dazu Queerness und Fluidität als Tool zur Befreiung zu sehen. It’s your space too, if you want it! Wie sich eine Person definiert, wie sie sich vorstellt wer sie ist, ist bedingungslos zu respektieren.
Was sind deine Ziele und Vorhaben für die Zukunft?
Ich möchte gerne wieder stärker bei mir bleiben können! Wenn meine Messages nicht verstanden werden, dann will ich das nicht mehr persönlich nehmen, denn das ist mir eine Zeit lang sehr nahe gegangen. Ich wünsche mir in einer Bewegung generell, dass wieder mehr das Gesamtkunstwerk Mensch gesehen wird und man als Gruppe bzw. Community gemeinsam einen Safe Space schafft, auch wenn da Leute dabei sind, die ich persönlich nicht mag.
Diskurs kann gerne geführt werden, aber er wird konstruktiv und zielführend geführt. Und das ist das, was ich mir wieder wünsche, weil dann sind wir wieder eine Bewegung.
Was ist dein größter Wunsch für die Menschheit?
Heilung.
Titelbild: Eric big Clit bei einem Auftritt | © Ruperta M. Steinwender
nach einem Abstecher in die Naturwissenschaften in ihren 20ern hat sie sich vor 2 Jahren wieder den Künsten zugewandt und ist jetzt für die RosaLila PantherInnen und Das Querformat als Fotografin und Journalistin unterwegs. Ihr Brotjob als Technikerin ermöglicht es ihr, ihre Leidenschaft als Künstlerin, Fotografin und Tänzerin auszuleben. Für gewöhnlich auch in Berlin und Wien anzutreffen, aber momentan pandemie-technisch ganz in Graz lebend, allerdings nicht ohne eine große Portion Fernweh.