Mit Zuversicht durch die Krise(n)

Seit März 2020 wütet die Coronapandemie, die unser Leben aus seinen gewohnten Bahnen gerissen und vielseitige Probleme mit sich gebracht hat. Anfang 2022 brach ein Krieg innerhalb Europas aus, der die ganze Welt erschüttert. Viele Menschen fragen sich nun zurecht: Hört das Leid denn nie wieder auf? Weltschmerz plagt viele Personen; Angst – und Aussichtslosigkeit. Ich habe mich mit Lisa Kögler, Managing Partner und Coach bei Womentor, und der Psychotherapeutin Stefanie Gruber über die psychischen Auswirkungen von Krisensituationen und deren Bewältigung unterhalten.

Für viele ist der Weltschmerz gerade nicht aushaltbar. Schon durch Covid sind psychische Erkrankungen stark angestiegen, da das eigene Leben so stark eingeschränkt wurde und Angst die Gedanken vieler Menschen dominierte. Jetzt gibt es einen Krieg beinahe vor unserer Haustür. Einige Personen in Österreich haben Verwandte oder Bekannte in der Ukraine. Wie kann man in so einer Situation noch Hoffnung, Zuversicht bewahren?

Lisa Kögler: Grundsätzlich ist es immer wichtig, den Schmerz erstmal anzuerkennen. Man darf sich sagen: „Mich lässt es nicht kalt, wenn es anderen schlecht geht.“ Das ist ein zutiefst menschlicher, natürlicher und gesunder Charakterzug, den wir besitzen. Außerdem leben wir in einer Welt, in der wir Zugang zu ganz vielen News und Informationen haben – das kann überfordernd sein und es ist in Ordnung, sich davon eine Auszeit zu nehmen.

Vor allem dann, wenn der eigene Medienkonsum die Lebensqualität beginnt einzuschränken. Es ist dann mehr als gerechtfertigt, sich selbst zu schützen – man muss sich sogar schützen. Denn wenn es mir selbst nur noch schlecht geht, tue ich niemandem etwas Gutes damit und kann auch niemandem mehr helfen. Es hilft auch, auf den eigenen kleinen Wirkungskreis zu schauen und sich zu fragen: „Was kann ich in meinem eigenen Umfeld tun, um etwas zu bewirken?“ Außerdem ist es auch wichtig, die eigenen Gefühle zuzulassen. Jeder Mensch darf traurig sein und diese Trauer auch spüren. Genauso ist es aber erlaubt, sich von dem Weltgeschehen zu distanzieren und sich auf das eigene Umfeld zu fokussieren, um wieder in die eigene Stärke zu finden.

Die Coronakrise hat sich für viele negativ auf die Psyche ausgewirkt. Welche Probleme haben sich durch die Pandemie vervielfacht?

Stefanie Gruber: Was ich durch meine Arbeit beobachten kann, aber was man auch in Studien liest, ist, dass es quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen, viele gibt, die nicht gut klargekommen sind – sowohl mit der Coronakrise als auch mit dem Krieg in der Ukraine. Wobei man sagen muss, dass Kinder und Jugendliche, und insbesondere Frauen* durch die Pandemie am stärksten betroffen waren und sind. Denn Frauen* haben mit einer Doppel- und Dreifachbelastung zu kämpfen, die sich durch die sich durch Corona verstärkt hat.

Ich kann in meiner Arbeit beobachten, dass vor allem Frauen* ein größeres Suchtpotenzial entwickelt haben. Um die 50% der Kinder und Jugendlichen in Österreich leiden unter Symptomen von Depressionen oder Angststörungen. Das ist auch eine Entwicklungsfrage: Viel von den Erfahrungen, die sie in diesem Alter gemacht hätten, sind weggefallen: Erste sexuelle Kontakte, Partnerschaften,… und als Ersatz gab es die virtuelle Welt. Das ist einerseits gut, weil so der Kontakt mit Gleichaltrigen aufrechterhalten werden konnte. Es verstärkt aber auch, dass die virtuelle Welt präsenter wird als die eigene Lebensrealität.

Bei Mädchen und Frauen* sind Essstörungen ganz besonders angestiegen. Dadurch, dass ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf bei einer Corona-Erkrankung Übergewicht ist, haben sich viele Personen gesagt, sie dürften auf keinen Fall zunehmen. Im Internet gab es zudem eigene Abnehmforen und Wettkämpfe, wer am meisten abnehmen könnte. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es jetzt so horrend viele Betroffene gibt.

Was rätst du Personen, die sich aufgrund der aktuellen Zustände schlecht fühlen? 

Lisa Kögler: Ich finde es wichtig, sich abzugrenzen, wenn es zu viel wird. Weniger Medienkonsum wäre ein wichtiger Schritt, vielleicht auch einmal eine ganze Woche ohne Nachrichten. Danach gilt es immer wieder zu reflektieren: „Wie geht es mir damit?“ Solche Selbstexperimente sind dann wichtig. Außerdem sollte man sich auch wieder erlauben, fröhlich zu sein. Viele Menschen denken, sie könnten doch nicht mehr in Ruhe einen Kaffee trinken gehen als ob nichts wäre – doch genau das ist sehr wichtig.

Stefanie Gruber: Der angenehmste Fall wäre natürlich, dass sich die äußeren Umstände wieder ändern. Dass sich zumindest am Umgang mit der Pandemie etwas verändert. Beim Krieg in der Ukraine ist mehr ein Ohnmachtsgefühl da, man sei dem ausgeliefert und könne nichts tun, um etwas zu verändern. Es ist wichtig, aus dieser Ohnmacht herauszukommen.

Dabei darf man sich sagen: „Ich darf mein Leben trotzdem leben.“ Es kann auch helfen, Medien phasenweise auszublenden oder sie nur zu gewissen Zeiten zu konsumieren. So kann man beginnen, das Leben im eigenen Mikrokosmos weiterzuführen und aus der Dauerhilflosigkeit herauszukommen. Zudem sollte jede:r mehr Dinge tun, die Spaß, Freude und Entspannung bringen. Das ist für jede:n etwas anderes. Vielen hilft es auch, andere aktiv zu unterstützen. Man kann mit den eigenen Möglichkeiten helfen und etwas Gutes beitragen – auch wenn es vielleicht nicht die Welt verändert.

Wie gehst du selbst damit um, wenn es dir schwerfällt, Zuversicht zu behalten?

Lisa Kögler: Wenn ich merke, es wird mir alles too much, lenke oder grenze ich mich bewusst ab. Das kann auch eine Netflix-Serie sein. Ich schaue mir auch gerne Kabaretts auf YouTube an, die helfen mir, aus dieser Stimmung herauszukommen. Was mir persönlich auch sehr hilft, ist Sinnhaftigkeit in meinem Tun. Ich weiß, mit meiner Arbeit als Coach helfe ich Menschen, ich trage etwas Positives bei – und das stärkt mich selbst auch enorm.

Stefanie Gruber: Ich fahre dann meinen Medienkonsum bewusst herunter. Während der Pandemie haben mir meine Yoga-Einheiten sehr geholfen, die haben mir auch eine Struktur für die Woche gegeben. Außerdem war es trotz Online-Veranstaltungen etwas Verbindendes, das meinen Körper und Geist zum Runterkommen bewegt hat. Insgesamt hilft mir Bewegung sehr, ich versuche, viel draußen zu sein. Ein großer Vorteil ist mein Garten, ich kann aktiv etwas in der Natur arbeiten und mich bewegen. Auch bewusst Leute zu treffen, die mir gut tun, ist für mich sehr wichtig. Und natürlich hilft es mir auch, dass mir meine Arbeit sehr gefällt und Freude bereitet. Ich bekomme sehr viel Positives zurück.

Titelbild: Symbolbild | © Clay Banks on unsplash.com