Theater mit Sternchen

Als schwuler Teenager in der niedersächsischen Provinz, die der Steiermark irgendwie gar nicht so unähnlich ist, war das Theater für mich ein Zufluchtsort, der das Versprechen einer anderen Welt barg. Es war ein Ort der Verstellung, Kostümierung und lustvollem Spiel – alles was ich mir als kleiner Queer vom Leben erhoffte. Umso enttäuschter war ich, als ich später das Theater zum Beruf machte und merkte wie unschwul (und unlesbisch) das alles aus der Innenperspektive auf einmal war.

Auch wenn seit jeher das Theater in der Öffentlichkeit mit sexueller Dissidenz verbunden wird – das #ActOut-Manifest, vor einem Jahr in der Süddeutschen Zeitung erschienen, hat noch einmal laut angeprangert, wie wenig Raum lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nicht-binäre und trans* Personen und deren Erzählungen im institutionalisierten Theater einnehmen. 

Eine (fast) vergessene Theatergeschichte

Um zu zeigen, dass es auch anders ginge, und dass Theater insbesondere in den queeren Emanzipationsbewegungen eine zentrale Rolle gespielt hat, habe ich gemeinsam mit der Berliner Theaterwissenschaftlerin Jenny Schrödl ein Buch geschrieben, das vielfältige Aspekte des Theaters in queerem Alltag und Aktivismus in den 1970er und 1980er Jahren, vornehmlich in Deutschland,  zeigt.

Was für spezifische Formen des Theaters Schwule und Lesben entwickelt haben, welche Spielräume von Geschlechtsperformance es für Trans* Personen auf Nachtclub-Bühnen gab, und wie es mit dem Theater im queeren DDR-Underground stand, wird in 15 wissenschaftlichen Beiträgen und Gesprächen mit Zeitzeug*innen erörtert.

Das Aufregendste an diesem Buch war, dass wir in unseren Recherchen Queers einer früheren Generation kennenlernten, die uns Fotoalben zeigten und Erinnerungen teilten, wie z.B. Elke Traeger über das fulminante Lesbenkabarett „Unterste Stufe“ oder Peter Rausch über eine queere Kabarettgruppe in der DDR. Die Dokumente aus dieser Zeit sind beeindruckende Zeugnisse einer Kritik am sexuellen und geschlechtlichen Status Quo, die mit Wut, bissigem Witz und einer extremen Lust queeren Widerstand mit Mitteln des Theaters übt.

Theater* in queerem Alltag und Aktivismus der 1970er und 1980er Jahre, hrsg. von Jenny Schrödl und Eike Wittrock, mit Beiträgen von Jayrôme Robinet, Markues, Renate Klett, Gabriele Stötzer und anderen, Neofelis Verlag, Februar 2022, 326 Seiten, 26,80 Euro.

Titelbild: Buchcover von Marija Skara unter Verwendung eines Fotos von Peter Rausch