„Ich musste es alleine schaffen. Damit andere das nicht müssen, hab ich die Gruppe gegründet“, erzählt Oliver. So ensteht schließlich auch in Graz, was in anderen österreichischen Landeshauptstädten schon längst existiert – eine Selbsthilfegruppe für HIV Positive. Unterstützung in der Gründung und allem was dazu gehört, erhält Oliver von Alois.
Der 54-jährige hat durch einen Routine-Test von seinem HIV-Status erfahren: „Nach dem Gespräch über die Diagnose habe ich direkt nach einer Selbsthilfegruppe gefragt und die Antwort bekommen, dass es in Graz so etwas nicht gibt“. Wenn er sich eine solche wünsche, müsse er sie selbst gründen. Nicht nur die Akzeptanz das Virus in sich zu tragen, macht zu schaffen, sondern auch die nach wie vor herrschende Stigmatisierung von HIV und AIDS.
„HIV wird totgeschwiegen. Ich bekam sogar den Rat, dass ich mir gut aussuchen soll wem ich davon erzähle. Ich war fix und fertig. Ich bin erstmal ein paar Tage nach Wien gefahren, habe mich dort mit Leuten unterhalten und hab mir so selbst ein Hilfenetzwerk aufgebaut.“ So kam es schließlich dazu, dass Oliver es tatsächlich selbst in die Hand nahm, eine Selbsthilfegruppe für HIV Positive zu gründen. Im September vergangenen Jahres geht er den ersten Schritt und hinterlässt im Krankenhaus einen Aushang.
Stütze bieten, Ängste nehmen
„Wie es anderen geht im Alltag und im Leben, das ist eine Erkenntnis die reicher macht“, beschreibt Alois – der Oliver in der Gruppengründung unterstützt – seine Erfahrung und erklärt weiter: „Es wird nicht allen gelingen mit Freund:innen und Bekannten darüber zu sprechen, daher ist das anonyme Angebot sehr wichtig.“
Über den Aushang im Krankenhaus wurde Alois auf Oliver aufmerksam, nun steht er ihm enthusiastisch in der Organisation der Gruppe zur Seite: „Wenn man Ängste nehmen kann, ist das eine große Hilfe“. Alois selbst hat einige Zeit gebraucht, um zu akzeptieren und sich anderen zu öffnen. Schließlich nahm er seinen Mut zusammen und merkte bald, dass es auch in seinem Bekanntenkreis Betroffene gibt mit denen er darüber reden kann.
Verbundenheit und Information
Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe bietet Unterstützung auf verschiedenen Ebenen: Der Austausch mit anderen kann die Verzweiflung und das Gefühl der Isolation mindern. Erfahrungen und Informationen, die an anderen Stellen zu kurz kommen, können in einem geschützten Rahmen angesprochen werden. Zu sehen, wie andere den Umgang mit dem Virus bzw. der Krankheit leben und wie sie ihren Status im Alltag meistern, lässt Betroffene die eigene Situation relativieren und verorten.
So ermächtigt die Gruppe Teilnehmende selbstbewusster aufzutreten und für die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Es wird nicht nur Hilfe angeboten, für Teilnehmende bietet sich weiter die Möglichkeit, andere mit der eigenen Erfahrung zu unterstützen und so sogar selbst zu helfen. „Mir hilft es das Ganze zu verarbeiten. Hätte ich mich nicht testen lassen, hätte ich nichts von meinem HIV-Status gewusst“, beschreibt Oliver die Vorteile der Gründung der Selbsthilfegruppe.
„Mit der heutigen Therapie schafft man es mit medizinischer Versorgung ein relativ normales Leben zu führen – ein paar Regeln gibt es einzuhalten. Die Gruppe ist dahingehend informativ und außerdem gute Gesellschaft“, führt Alois aus.
Für alle da
Wie kann man an der Selbsthilfegruppe teilnehmen? „Die erste Kontaktaufnahme erfolgt telefonisch oder per Mail“, erklärt Oliver. Es gibt keine Vorraussetzungen für die Teilnahme, die Gruppe ist für alle offen, die das Angebot nutzen wollen: „Mann, Frau, sexuelle Orientierung, Er, Sie, Es – völlig egal, alle sind willkommen“, so können auch Angehörige oder einer betroffenen Person Nahestehende dabei sein.
Der schützende Raum und die Diskretion haben dabei oberste Priorität, erklärt Oliver: „Alles was besprochen wird, bleibt auch in der Gruppe.“ Je nach dem was Hilfesuchende sich wünschen, kann das zweite Gespräch auch schon persönlich stattfinden.
Wer noch nicht bereit dafür ist, kann auch per Telefon weitere Unterstützung erhalten. Jeden ersten Freitag im Monat gibt es das Gruppentreffen, darüber hinaus können weitere Hilfestellungen in Anspruch genommen werden – wie zum Beispiel emotionale Unterstützung bei Arztbesuchen oder praktische Informationen für Amtswege.
Kontakt
interessengemeinschaftgraz@gmx.at
Oliver: 0676 54 08 966
Alois: 0660 57 57 660
Titelbild: Alois und Oliver | © Vivienne Chabrol
lebt nach einigen Jahren in Wien und in der Welt wieder in Graz und arbeitet in einer Agentur. Sie findet, dass Sprache und Text viel mehr können als nur Worte transportieren: Sie formen Kultur, im Kleinen wie auch im Großen. Daher zögerte sie keine Sekunde, das Lektorat für die wertvolle Arbeit von Das Querformat zu übernehmen. Sie ist engagiert, offen und überzeugt davon, dass gerade unbequeme Themen angesprochen werden müssen. Während ausgedehnter Reisen lässt sie sich von Neuem inspirieren und lädt ihre kreativen Reserven auf: Am liebsten weit weg und mitten im Ozean. (Foto: Anna Tscherne)