Michael* hat ein nicht ganz legales Hobby. Er schleicht sich nachts auf Baustellen und lebt dort seine Fantasien aus. Wir fragen nach, was dahinter steckt.
Wer bist du wenn du dort bist?
Michael: Der Vorarbeiter, der Maurer, der Azubi, der Maurer, der Hilfsarbeiter, manchmal auch der Bauherr auf Inspektion. Meine Rolle ergibt sich meist spontan, je nachdem was ich dort vorfinde oder auf was ich gerade Lust habe.
Was genau machst du?
Kurz gesagt ziehe ich die komplette Arbeitskleidung fremder Bauarbeiter inklusive Schuhen, Helm und Handschuhen an. Ich erkunde dann die Baustelle und versuche dabei eine mögliche Rolle einzunehmen.
Was reizt dich am Stereotyp Bauarbeiter?
Die Maskulinität, manuelle Arbeit, Schweiß, dreckige Arbeitskleidung.
Ich konzentriere mich bewusst auf dieses überzogene Klischee.
Wie hast du es für dich entdeckt? Gab es eine bestimmte Situation oder ergab es sich ganz zufällig im Laufe der Zeit für dich?
Natürlich gab es auch hier ein erstes Mal. Ich war schon früher von diversen Fetischen fasziniert. Fußballkleidung, Uniformen und Eishockeyausrüstungen sind nur ein paar Beispiele, die ich ausprobiert habe. Oft waren diese Fantasien aber nur schlecht umzusetzen oder es spielte mein Partner nicht mit. Baustellen tatsächlich zu besuchen ergab sich dann durch eine Zufall. Eines Nachts, nach einem Streit mit meinem Partner, wollte ich einfach nur raus an die frische Luft und alleine sein. Ein Gewitter zog auf und es regnete. Die Straßen in meiner Nachbarschaft wurden gerade erneuert und ich ging zufällig bei einem Mannschaftscontainer vorbei. Da fiel mir auf, dass das Fenster offen war und direkt beim Fenster leuchtende Warnschutz-Arbeitskleidung lag. Ich zögerte zuerst, sprang aber dann hinein und begutachtete die Latzhosen und Arbeitsjacken. Der Gedanke, dass wenige Stunden zuvor schwitzende Bauarbeiter in den Sachen steckten, machte mich wahnsinnig an. Darauf hin begann ich, bei Abendspaziergängen nach offenen Baucontainern Ausschau zu halten und stellte fest, dass diese oft komplett unversperrt waren.
Das Beobachten dauert doch bestimmt jedes Mal ein paar Stunden oder du kehrst an gleiche Orte zurück – wie erlebst du dich selbst in dieser Zeit? Bist du wach, in einer Art Flow State? Welche Gefühle löst es aus?
Es gibt immer wieder längere Bauprojekte, die sich wöchentlich besuchen lassen und trotzdem interessant bleiben. Die Mannschaft einer Baufirma war oft bis spät in die Nacht da und ließ den Abend bei einem gemütlichen Bier ausklingen. Ich suchte mir ein ruhiges Versteck, um sie zu beobachten.
Im Coronajahr war ich sehr einsam und unausgelastet und ich suchte nach Möglichkeiten, das zu intensivieren. Also verweilte ich für Stunden in meinem Versteck und sah ihnen zu. Dabei trug ich verschwitzte fremde Arbeitskleidung und hatte eine Gasmaske auf, inhalierte fast dauerhaft Poppers und ließ meinen Schwanz mit Reizstrom stimulieren. Wilde Fantasien und Mutmaßungen schossen mir durch meinen Kopf. Der Chef würde sich von seinen Arbeitern bedienen lassen, aber wenn sie mich entdecken würden, würden sie mich am Tisch fesseln und nacheinander ficken. Die Gedanken stauen sich immer weiter an und ich gelange in einen Flow State in der Fiktion und Sinneseindrücke eine Hyperrealität bilden.
Der Gedanke daran ohne eigene Zustimmung beobachtet zu werden wäre für viele unangenehm. Findest du, dass du jemandem schadest?
Solange die betroffenen Personen davon nichts wissen, finde ich es in Ordnung. Mir geht es weder bei der Kleidung, noch beim Voyeurismus um die tatsächliche Person sondern um die Erfüllung meiner sehr persönlichen Fantasien. Das steht auch im Kontrast dazu, dass mir in anderen Lebensbereichen sehr wohl wichtig ist, Menschen nicht zu Objektifizieren.
Gab es schon einmal rechtliche Probleme für dich oder hat dich jemand erwischt?
Ich wurde schon das ein oder andere Mal erwischt – glücklicherweise noch vor Beginn meiner Aktivitäten. Dadurch handelte es sich nur um unerlaubtes Betreten der Baustelle.
Würde dich jemand entdecken, würde das die Situation für dich stören oder anfachen?
Das Risiko, vielleicht einmal in flagranti erwischt zu werden, reizt mich extrem. Würde das aber wirklich passieren, wäre die Chance, dass es vielleicht zu einer geilen Situation kommt, verschwindend gering.
Organisation und Timing scheinen das Fundament zu bilden – wie vereinbarst du es mit deinem Alltag?
Unter der Woche gehe ich meistens um 21 Uhr los und suche Baustellen in meiner Nähe ab. Wenn diese dann versperrt sind oder ich mich nicht für die richtige Montur entscheiden kann, fahre ich auch mal mit dem Bus etwas weiter weg. An manchen Abenden komme ich erst lange nach Mitternacht zurück nach Hause. Da ist es vorteilhaft, wenn der nächste Arbeitstag erst um 10 Uhr startet.
Magst du dich mit anderen über deinen Fetisch austauschen oder machst du es am liebsten für dich alleine?
Die Community, die sich mit dem Arbeitskleidungsfetisch beschäftigt ist sehr weit verstreut und großteils in Deutschland vertreten. Viele sind auf Twitter und Instagram und tauschen dort Fotos und Videos aus. Ganz besonders nett sind auch die „Warnschutz Freunde“, die sich auf WhatsApp zu gemeinsamen Treffen und Aktionen verabreden.
Den reinen Fetisch an sich lebe ich gerne in Gesellschaft aus. Besuche auf der Baustelle sind aber eher was für mich ganz alleine.
Warnschutz?
Beim Warnschutzfetisch geht es um Arbeitskleidung in Signalfarben, also Neon Orange und Neon Gelb. Mich reizt daran besonders, dass ich einerseits extrem aus der Masse heraussteche. Und auch dass ich in vielen Situationen völlig unsichtbar bin. Die Leute ignorieren einen, wenn man wie ein Müllwerker gekleidet ist. Der Fetisch ist mittlerweile recht weit verbreitet und hat einen festen Platz in der Szene.
Wie gehst du damit in festen Partnerschaften um? Bist du bisher auf Verständnis gestoßen oder war es ein schwierigeres Thema?
Mein Partner versteht, warum ich das mache und dass es mir wichtig ist. Ich weiß natürlich, dass es nicht immer ganz einfach ist, mit jemanden zusammen zu sein, der so tief in seinem Fetisch steckt wie ich. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
*Name geändert und der Redaktion bekannt
Titelbild: Arbeitshose | © baupolier.eu
lebt, arbeitet und studiert in Graz. Er reist gerne mit dem Zug durch ganz Österreich und liebt Urban Exploration. Am liebsten kocht er zuhause Köttbullar und Pasta. Viel seiner Zeit fließt in ehrenamtliche Projekte bei der öh joanneum und bei den RosaLila PantherInnen. Er plant Veranstaltungen und gestaltet visuelle Kommunikationsmittel und Webseiten. Er sieht sich als Generalist und kennt sich in vielen Bereichen der Gestaltung aus. Deshalb ist ihm ein facettenreiches Arbeitsumfeld wichtig. Auf den ersten Blick wirkt er of zurückhaltend, sanftmütig und nett, wer ihn jedoch besser kennt, weiß, dass er auch ordentlich auf den Tisch hauen kann.