Schwesta Ebra macht den Mund auf

Schwesta Ebra (23) ist Musikerin und für ihre junge Community da.

Wie alles begann: Bieber und Deutschrap

Mit zwölf Jahren startete sie ihren ersten YouTube-Musik-Channel: “Leider bin ich nicht der zweite Justin Bieber geworden!” Ihre Videoaktion zur Sexismus-Debatte im Deutschrap und die positive Resonanz bewegten Schwesta Ebra jedoch im Erwachsenenalter mit Musik weiterzumachen. “Ich habe Videos von Rappern neu interpretiert – ohne Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung in den Texten. Meine Mission ist es, zu zeigen, dass Deutschrap auch anders geht!”

Wie es ist: K/Ein Vorbild zu sein

Ihre Eltern haben Migrationshintergrund, sie ist homosexuell und weiß von ihrer Community, dass viele junge Menschen mit ihrer eigenen Sexualität Probleme haben. Daher ist es der Rapperin wichtig, in der Öffentlichkeit über ihre Homosexualität zu sprechen. “Seit ich auf Instagram bekannt gegeben habe, dass ich mit einer Frau zusammen bin, werde ich ständig gefragt, wie mein Outing war.” So wollen wir von ihr wissen, ob sie sich als Vorbild sieht? Und Schwesta Ebra antwortet mit einem: “Jein! Wenn man sich bewusst als Vorbild bezeichnet, trägt man eine unglaublich große Verantwortung. Natürlich können mich andere gerne als Vorbild sehen. Da besteht jedoch die Gefahr, dass ich sie irgendwann enttäusche, wenn ich etwas tue, das nicht ihren Vorstellungen entspricht und das fände ich sehr schade!” Außerdem ist es ihr wichtig, dass junge Menschen nicht alleine gelassen werden. “Oft ist das Zuhause die Hölle. Die Infos über ein queeres Leben flattern einem ja nicht vor die Haustür. Queere Aufklärungsarbeit gehört in die Schule.”

Wie es weitergeht: Mut zur Umsetzung

Ein Veranstalter hat die Rapperin um einen einstündigen Auftritt angefragt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nur zwei Songs. “Ich bin eine perfektionistische, sehr zielstrebige Person. So hab ich zugesagt und mich sofort an den Laptop gesetzt. Über Wochen bin ich täglich daran gesessen und nun habe ich acht neue Songs, die darauf warten, bald mit dem Titel Mischmasch veröffentlicht zu werden!”

 © Schwesta Ebra

Interview mit Schwesta Ebra

Wer ist Schwesta Ebra?

Schwesta Ebra: Das ist eine gute Frage und ehrlich gesagt schwierig zu beantworten, da ich selbst noch nicht richtig weiß, wer genau Schwesta Ebra sein soll. Mir war es einfach wichtig, nicht mit meinem bürgerlichen Namen im Internet aufzutreten, vor allem, weil es auch einfach langweilig gewesen wäre. Ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben machen will. Musik war immer schon ein fixer Bestandteil meines Lebens. Auch habe ich schon sehr früh Videos – oft satirische, politische Videos – gedreht und fand es dann schön, diese beiden Dinge für mich zu kombinieren. Politische Themen zu vermitteln ist mir nämlich besonders wichtig. Denn wie wir wissen ist Politik leider oft ein zähes Thema – aber es betrifft uns alle, deswegen sollte sich auch jede:r damit beschäftigen!

Wie möchtest du wahrgenommen werden?

Ich habe mich tatsächlich schon oft gefragt, wie ich wohl wahrgenommen werde. Ich vermarkte mich selbst über Social Media, meiner Meinung nach ist das der einfachste und beste Weg, wenn man heutzutage etwas selbst auf die Beine stellen will. Ich merke oft bei negativen Kommentaren, dass ich teilweise als Witzfigur gesehen werde und das möchte ich auf keinen Fall. Auch wenn Humor ein wichtiger Bestandteil meiner Musik ist, so betreibe ich das Ganze doch ernsthaft und möchte somit auch als seriöse Künstlerin wahrgenommen werden.

Du hast gesagt, du wolltest selbst etwas auf die Beine stellen – produzierst du alles an deiner Musik selbst?

Die Beats produziere ich leider noch nicht selbst. Ich habe mir das Equipment dazu zwar gekauft, für mich ist es aber eine sehr schwierige Arbeit und ich habe riesigen Respekt davor. Ein Label an sich habe ich auch nicht, ich habe wirklich fast alles selbst gemacht: Das Schreiben der Texte, das Vermarkten… ich muss ehrlich sagen, dass das auch sehr anstrengend war. Ich strebe an in Zukunft ein wenig mehr mit anderen zusammenzuarbeiten, um mir da ein bisschen Arbeit abnehmen zu lassen.

Was ist deine Mission als Musikerin?

Wow, so tiefgründige Fragen! Naja, ich wollte einfach schon als Kind Musik machen, ich habe es ja mit zwölf Jahren auch schon einmal auf YouTube versucht. Leider bin ich nicht der zweite Justin Bieber geworden und ich musste mich dann auch mehr auf die Schule konzentrieren. Ich wurde daheim nicht so unterstützt, wie ich es gerne gewollt hätte, vielleicht wäre sonst alles anders gelaufen. Aber manche Dinge muss man selbst in die Hand nehmen! 

Letztendlich hat mich meine Videoaktion zur Sexismus-Debatte im Deutschrap dazu bewegt, wieder mit Musik anzufangen und auch etwas rauszubringen. Ich habe anfangs Videos von Rappern genommen und diese neu interpretiert – ohne Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung in den Texten. Auf Tiktok bekam ich dafür so unglaublich positive Kommentare, die mich dann auch dazu motiviert haben, selbst etwas zu machen. Man könnte also sagen, meine Mission ist es, zu zeigen, dass Deutschrap auch anders geht! Denn warum muss es denn um „die Schlampe, die tanzt“ gehen – warum ist das cool?

Hast du dich vor der musikalischen Arbeit auch schon feministisch engagiert oder ist das erst mit deiner Musik gekommen?

Privat habe ich mich schon davor engagiert. Ich bin typisch auf Demos gegangen, habe Spendenaktionen aufgerufen und seit Corona streite ich mit Menschen auf Facebook (lacht).

Auf Facebook ist Hate Speech besonders schlimm, oder?

Ja, die Leute schreiben da teilweise schon sehr lange Texte. Aber wenn man auf Tiktok auf ein 12-jähriges verstimmtes Kind trifft, ist das auch schwierig. Aber so ist das eben in den Sozialen Medien, daran muss man sich einfach gewöhnen.

Deine Resonanz auf Tiktok ist sehr groß –  wie wichtig ist es dir, auch in Bezug auf die LGBTIQ-Community Botschaften nach außen zu tragen?

Als ich anfing, habe ich mir gedacht: Wenn ich schon den Mund aufmache, kann ich auch darüber reden. Meine Eltern haben Migrationshintergrund, ich selbst bin homosexuell – ich denke, ich bin somit doppelt marginalisiert. Deswegen, und weil ich weiß – wie viele vor allem junge Menschen mit ihrer Sexualität Probleme haben – ist es mir sehr wichtig, darüber zu sprechen. Seit ich auf meinem Instagram-Account bekannt gegeben habe, dass ich mit einer Frau zusammen bin, kommen auch ständig Fragen rein, wie etwa mein Outing war usw. Dabei sind es großteils Kinder, die mir schreiben, die Angst haben. 

Siehst du dich denn dann als Vorbild?

Jein! Wenn man sich bewusst als Vorbild bezeichnet, trägt man eine unglaublich große Verantwortung. Natürlich können mich andere gerne als Vorbild sehen. Da besteht jedoch die Gefahr, dass ich sie irgendwann enttäusche, wenn ich etwas tue, das nicht ihren Vorstellungen entspricht und das fände ich sehr schade! Mir kann aber immer gerne jeder schreiben, der Probleme hat und Hilfe braucht – auch wenn ich natürlich nicht jedem helfen kann. Oft ist ja auch schon eine Therapie nötig, um die eigenen Probleme erst wirklich verstehen zu können.

Also betreibst du vor allem Aufklärungsarbeit?

Ich finde es wichtig, dass junge Menschen nicht alleine gelassen werden. Oft ist das Zuhause die Hölle. Die Infos über ein queeres Leben flattern einem ja nicht vor die Haustür. Queere Aufklärungsarbeit gehört in die Schule.

Aber nun zu deiner Single „Dick Pics“. Im Song gehst du immer wieder darauf ein, dass es egal ist, wie alt man ist, man bekommt auch mit 12 Jahren teilweise schon Dick Pics zugesendet. Wie bist du darauf gekommen, dieses Thema anzusprechen?

Der Schreibprozess ist für mich recht komplex, ich setze mich nicht einfach hin und sage: „So, jetzt schreibe ich ein Lied über Sonnenblumen!“. Das Schreiben kommt bei mir aus einer Emotion, einem Impuls heraus. Bei diesem Lied habe ich an einen Bekannten gedacht – ein übelster Sexist – und versucht, meine Emotionen solchen Personen gegenüber einzufangen.

Was erwartet uns als nächstes, hast du schon neue Projekte in Planung?

Ja, da kommt viel! Morgen fahre ich nach München, dort habe ich einen Auftritt bei einem Festival, das dort stattfindet, wo normalerweise auch das Oktoberfest ist. Die Veranstalter haben mir vor ungefähr zwei Monaten geschrieben und mich gefragt, ob ich dort eine Stunde spielen könnte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur zwei Songs – aber ich bin eine perfektionistische, sehr zielstrebige Person. So hab ich also Ja gesagt und mich fast sofort an den Laptop gesetzt, um neue Songs zu schreiben. Der Prozess hat mich sehr ans Lernen in der Schule erinnert – ich bin morgens aufgestanden, hab mich hingesetzt, gefühlt eine Stunde gesessen und schon war es wieder Zeit zum Schlafen. Über Wochen bin ich täglich daran gesessen und nun habe ich acht neue Songs, die darauf warten, bald mit dem Titel Mischmasch veröffentlicht zu werden!

Titelbild: Schwesta Ebra | © Schwesta Ebra