Die Schwelle der Vagina

Der Tampon geht nicht richtig rein, der Gang zur Frauenärztin ist eine Tortur und bei dem Gedanken an Sex zieht sich das Gesicht vor Schmerz zusammen. Was viele als wehleidig oder einfach „zu eng“ bezeichnen, hat tatsächlich einen Namen: Vaginismus. 

Vaginismus ist keine Krankheit, sondern eine Funktionsstörung. Die Beckenbodenmuskulatur verkrampft sich und dadurch ist es nicht möglich, in die Vagina einzudringen. Die Ursachen können organisch sein, wie zum Beispiel durch eine Infektion, oder psychologisch. Traumatische Erlebnisse oder die die schlichte Angst vor Schmerzen beim Sex können Vaginismus hervorrufen. 

Betroffen von Vaginismus  

Christina ist 36 Jahre jung und ehemalige Vaginismus Betroffene. Als sie mit 15 Jahren ihre Periode bekam und ein Tampon einführen wollte, bemerkte sie, dass es zu schmerzhaft war. Die ersten Beziehungen kamen und der damit einkehrende Sex durch Penetration funktionierte für Christina nicht. Der Penis konnte nicht in die Vagina eingeführt werden. Überraschenderweise waren die gynäkologischen Untersuchungen nie ein Problem und somit dachte Christina, dass Sex mit dem richtigen Partner irgendwann funktionieren wird. Erst mit 23 Jahren bekam sie die Diagnose Vaginismus. 

© Sarah Maria Kirchmayer

Die Diagnose 

Davor war Christina zwei Jahre lang in psychotherapeutischer Behandlung, die ihr aber nicht weitergeholfen hat. Sie beschloss, Sexualtherapie auszuprobieren und bekam dort ihre Diagnose. Mit angeleiteten Beckenbodenübungen und dem Training mit Dilatoren versuchte Christina, den Vaginismus zu bekämpfen. Das sind medizinische Geräte, ähnlich aufgebaut wie Dildos. Das Ziel mit Dilatoren ist es nicht, die Vagina zu dehnen, sondern sie daran zu gewöhnen, dass etwas in sie eingeführt wird. Obwohl Christina es mittlerweile schaffte, einen Tampon zu benutzen, wollte der penetrative Sex mit ihrem Freund immer noch nicht gelingen. Da die Beziehung mit ihrem damaligen Partner schon länger nicht mehr einwandfrei funktionierte, beendete Christina diese und begann eine Affäre mit einem neuen Sexualpartner. Bei diesem hatte sie das Gefühl, dass der Vaginismus kein großes Problem für ihn war und so konnte sie nach einigen (schmerzhaften) Versuchen den ersten penetrativen Sex ihres Lebens haben. Christina leidet nun seit ihrem 29. Lebensjahr nicht mehr an Vaginismus. 

Selbsthilfegruppe Invisible Wall 

Seit 2019 leitet Christina die Selbsthilfegruppe Invisible Wall (auf Instagram @invisible.wall.vienna). Ihr hat es in ihrer Zeit als Vaginismus Betroffene gefehlt, sich mit anderen auszutauschen und sie will diesem einen Raum geben. Nachdem sie Ärzt:innen kontaktiert und einen Folder erstellt hat, begannen die ersten Frauen auf Invisible Wall aufmerksam zu werden und die monatlichen Treffen starteten. Da die Runde immer durchgemischt mit Neuankömmlingen und Stammgästen ist, beginnt das Treffen mit einer Vorstellungsrunde. Danach werden Erfahrungen ausgetauscht und allerart Fragen gestellt. Die Gespräche sind streng vertraulich und verlassen die Runde nicht. Aufgrund der Pandemie finden die Treffen derzeit online statt, aber wenn die Situation es wieder zulässt wünscht sich Christina persönliche Konversationen. 

© Sarah Maria Kirchmayer

Als Rat an alle Vaginismus Betroffenen appelliert Christina, dass es wichtig ist, zu kommunizieren. Sie selbst dachte lange, etwas sei mit ihr nicht in Ordnung, sie sei weniger wert und Sex, der nicht Penetration inkludiert, sei kein richtiger Sex. Sie weiß nun, dass das alles nicht stimmt, aber hätte sie früher begonnen, mit Freund:innen, Ärzt:innen und Sexualpartner:innen zu sprechen, wäre ihr viel Kummer und Sorge erspart geblieben. Es ist zudem wichtig, Grenzen zu setzen. Sobald man bemerkt, dass Sex unerwünschte Schmerzen hervorruft, ist es immer okay Stopp zu sagen und aufzuhören.

Titelbild: Illustration von Sarah Maria Kirchmayer