Die Amazonen und die Liebe

Liebe auf den ersten Blick hat sich bei den beiden Drag-Künstlerinnen, die als Pop- und Schlagerduo unter den Namen Die Amazonen auftreten, bewahrheitet. Ja, es gibt sie! Und es gibt vielmehr Botschaften, die Queen Naomi King und Wally Quinn zu vermitteln haben. 

Das Spiel mit den Geschlechterrollen

Die Drag Künstlerin Queen Naomi King lebt und singt auch als Mann: “Viele Leute hat es sehr überrascht, sogar schockiert, als ich mit Drag angefangen habe. Und es ist für mich schnell sehr interessant geworden mit diesen Rollen zu spielen!” Anders ist es bei der Musikerin Wally Quinn, die ihr Drag Alter Ego im Laufe ihrer Karriere mehrmals von female illusion übers Androgyne zurück ins Feminine  verändert hat. ”Dieser Prozess hatte für mich viel mit Selbstsuche zu tun: Wer bin ich und wer möchte ich sein? Das hat mir letztendlich auch im Privatleben die Augen geöffnet – seit ein einhalb Jahren lebe ich als Frau, denn ich bin Transgender. Auch das hat mein Drag wieder verändert, mein privates und künstlerische Ich sind einander näher gekommen.”

Vorbildwirkung für ein selbstbestimmtes Leben

Als Trans sieht sich Wally Quinn heute als Vorbild: “Man scheint gesellschaftlich nur dann als Frau akzeptiert zu werden, wenn man typisch weibliche Attribute vorweist. Ich breche diese Kriterien auf. Niemand sollte Angst haben, seine Identität zu leben! Man sollte das optische dem inneren anpassen, ich fühle mich als Frau, also lebe ich als Frau!” Und Queen Naomi King erinnert sich an eine Modenschau, an der sie mit mehr Kilos teilgenommen hat. Die Leute erkannten sie nicht als Drag und fanden es gut, dass nun auch ein Plus Size Model dabei war. “Mich hat das so gefreut”, so die Musiker*in, “und ich feiere jede*n, der sich traut das auszuleben, wer er*sie ist!”

Die Amazonen beim Interview im Prater | © Krassimir Kolev

Interview mit Die Amazonen

Man kennt euch beide aus verschiedenen Formaten, wie etwa von der Vorausscheidung des Eurovision Songcontests, dem RTL-Format DSDS, Show Your Talent von Puls 4 – aber wie habt ihr denn eigentlich zueinander gefunden?

Wally Quinn: Du erzählst das so schön – Queen Naomi King.
Queen Naomi King: Das ist unsere Lieblingsgeschichte! Ich habe mit Drag ganz zufällig angefangen, irgendwie fast aus dem Nichts, und hab dann eine singende Dragqueen als Partnerin gesucht, weil ich eigentlich eine Girl-Group gründen wollte. Da habe ich ganz lange gesucht, da es anscheinend nicht viele singende Dragqueens gibt und vor allem wenige, die das auch wirklich professionell machen – kurz gesagt: Die meine Kriterien erfüllt haben (lacht). Aber dann hab ich sie gefunden. Bei unserem ersten Treffen hat sie mir von ihren Träumen erzählt – und da haben wir uns ganz furchtbar verliebt. Seitdem sind wir Schwestern und singen nur noch gemeinsam.
Wally Quinn: Ich war davor in einer anderen Travestie-Gruppe, die aber dabei war, sich aufzulösen. Genau nach unserem letzten Auftritt in Deutschland hab ich eine Nachricht von Queen Naomi King auf Facebook erhalten.
Queen Naomi King: …es war Schicksal!
Wally Quinn: Ein Monat darauf hatten wir dann schon das erste Musikvideo gedreht!

Liebe auf den ersten Blick. Das ist eine schöne Entstehungsgeschichte! Aber jetzt mal zu euch, ganz persönlich. Was muss man über dich wissen, Naomi?

Queen Naomi King: Über mich? She’s a gospel singer! Ich bin die Soul Diva Österreichs und Europas! Mittlerweile schaue ich etwas anders aus, vor einem Jahr hab ich noch ganz Drag gemacht mit kompletter feminine illusion. Ich wollte die Leute doch mehr herausfordern, auch optisch, die Geschlechterrollen herausfordern. Das ist Naomi King: Soul Mama mit Weirdo-Background. Und Bart. (lacht)

Wie wichtig ist dir das Spielen mit den Geschlechterrollen?

Queen Naomi King: Sehr wichtig. Ich lebe ja abgesehen von meiner Gesangskarriere als Mann, arbeite und singe auch als Mann. Viele Leute hat es sehr überrascht, sogar schockiert, als ich mit Drag angefangen habe. Es ist für mich schnell sehr interessant geworden mit diesen Rollen zu spielen. Heute bin ich zum Beispiel nur privat hier und nur ein bisschen geschminkt – auch das ist schon Drag. Das sind so kleine Spielräume, die man sich freischaufelt.

Und was möchtest du unseren Leser*innen über dich erzählen, Wally Quinn?

Wally Quinn: Mein Drag hat sich im Laufe meiner Karriere oft verändert. Angefangen habe ich sehr feminin und wollte wie Naomi auch mehr die female illusion darstellen. Später ging es für mich mehr ins Androgyne, nur, um dann wieder ins Feminine umzuschlagen. Dieser Prozess hatte für mich viel mit Selbstsuche zu tun: Wer bin ich und wer möchte ich sein? Das hat mir letztendlich auch im Privatleben die Augen geöffnet – seit eineinhalb Jahren lebe ich als Frau, denn ich bin Transgender. Auch das hat mein Drag wieder verändert, mein privates und künstlerisches Ich sind einander näher gekommen.

Welche Botschaft vermittelt ihr als Künstler*innen?

Queen Naomi King: Uns war es immer wichtig, möglichst authentisch zu sein. Ich finde das, was andere Dragkünstler*innen machen, oft sehr schwierig. Als übertrieben gekünstelte Figur auf die Bühne zu gehen und dann noch mit Musik zu berühren – das ist in meinen Augen nicht leicht zu kombinieren, da das Publikum sich erst durch viele Schichten arbeiten muss, um an den*die Künstler*in heranzukommen.

Wally Quinn: Es geht für uns auch nicht nur um die Optik, auch wenn sie natürlich eine wichtige Rolle spielt. Wir lieben Fashion und Make Up! Allerdings ist Musik für uns die ständige Nummer 1 in der Prioritätenliste und dass die Leute uns so kennenlernen, wie wir sind. Wir sind ein Showact mit großer Echtheit. Das ist uns wichtig. 

Queen Naomi King: Drags mit Herzen. Das hört man oft. Bei Drag ist viel Show und Theater dabei. Wir wollen dies etwas reduzieren und direkt auf die Leute zugehen. 

Wally Quinn: Wir sind auch mehr Dragkünstler, als Queens. 

Queen Naomi King: Was Drag mit mir gemacht hat: Ich lebe als Mann, die Frauen- und Männerrolle vermischten sich jedoch irgendwann. Man bekommt auf diesem Weg als Mann viel mehr Selbstbewusstsein, denn was soll einem noch peinlich sein, wenn man geschminkt in High Heels umherläuft! Mir gab das viel Selbstwertgefühl. 

Wally Quinn: Man lernt sich auch viel mehr selbst zu lieben, weil man sich mehr traut. 

Queen Naomi King: Man geht an seine Grenzen!

Die Amazonen | © Krassimir Kolev

Was ist also eure Mission, was wollt ihr erreichen?

Queen Naomi King: Ruhm und Reichtum natürlich! (lacht) 

Wally Quinn: Nein, es wäre sehr schön, wenn es ein Genderfuck-Act auf Platz 1 der österreichischen Charts schaffen würde. Es sollte kein Thema mehr sein, ob ein*e Musiker*in eine Transperson ist, ob sich ein Mann auf der Bühne wie Jennifer Lopez bewegen will oder wie Britney – die Kunst sollte im Vordergrund stehen!

Queen Naomi King: Allerdings sind wir nicht besonders missionarisch eingestellt. Wir sind einfach da, wir singen, wir lieben. 

Wally Quinn: Wir akzeptieren es auch, wenn jemand sagt, dass er unsere Shows bzw. unsere Musik nicht gut findet. 

Queen Naomi King: Dabei ist es interessant anzumerken, dass wir nach anfänglicher Skepsis oft sogar bei Auftritten in Clubs, bei denen man nie gedacht hätte, dass ein Schwuler oder eine Transperson akzeptiert werden würden, total gefeiert werden. Eben weil es eigentlich nur um die Musik geht! Unsere Mission ist es, alles ein wenig zu normalisieren und die Angst zu nehmen. 

Wally Quinn: Das ist unser Motto, Mission eigentlich nicht. 

Ihr sagt, das Geschlecht oder die Sexualität sind egal, nur die Musik zählt. Seht ihr euch auch als Vorbilder, beispielsweise für junge Menschen, die sich noch outen wollen?

Queen Naomi King: Also ich auf jeden Fall. Ich kann mich noch an eine Modenschau erinnern, bei der ich mal dabei war, damals war ich noch etwas stärker. Die Leute erkannten mich nicht als Drag Queen und kommentierten die Show später damit, dass sie es gut fänden, dass auch Plus Size Models dabei waren! Mich hat das so gefreut. Drag erfordert auf jeden Fall viel Mut und ich feiere jeden, der sich traut das auszuleben, was er*sie will! 

Wally Quinn: Früher als schwuler Mann hätte ich mich weniger als Vorbild betrachtet als jetzt, ich war mir lange meiner eigenen Geschlechtsidentität nicht bewusst. Jetzt kann ich jedoch bezüglich dem Trans-Sein als Vorbild fungieren. Man scheint gesellschaftlich nur dann als Frau akzeptiert zu werden, wenn man typisch weibliche Attribute vorweist – ich breche diese Kriterien auf. Niemand sollte Angst haben, seine Identität zu leben! Man sollte das Optische dem Inneren anpassen. Ich fühle mich als Frau, also lebe ich als Frau!

Die Amazonen mit der vierten Das Querformat Ausgabe | © Krassimir Kolev

Wie nehmt ihr das Musikbusiness in Österreich wahr?

Queen Naomi King: Es ist sehr klein und eher am Durchziehen nach Deutschland oder anderswohin. Aber man kann trotzdem viele Sachen machen. Wir waren schon auf Tour und haben fast durchgehend viele Auftritte – und übrigens überraschend schnell einen Plattenvertrag bekommen.

Euer letzter Song heißt “Wien bei Nacht”. Warum war euch der Fokus auf Wien wichtig?

Queen Naomi King: Der Song ist auf eine sehr coole Art und Weise entstanden. Wally hatten einen fertigen Track, der mich sehr an Rainhard Fendrich erinnert hat, als ich ihn gehört habe. Mit diesem Hintergedanken haben wir den Text verfasst. Auch war es uns immer wichtig, den Bezug zu Österreich und Wien in unserer Musik aufrechtzuerhalten – auch weil Wien eine gute Stadt für Drag Queens ist. Man kann in Drag durch den Prater gehen und muss sich keine Sorgen machen. Und natürlich haben wir auch etwas österreichischen Humor, den Wiener Schmäh, in das Lied einfließen lassen.

Beide: Wir lieben es!

Vielen Dank für eure Zeit!

Titelbild: Die Amazonen | © Krassimir Kolev