Überfällige Entschuldigung?

Justizministerin Alma Zadić entschuldigte sich am 07. Juni 2021 im Wiener Landesgericht stellvertretend bei allen Personen, die in der zweiten Republik aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und strafrechtlich verfolgt wurden. Dies war ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung, um ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte und Unrecht an queeren Menschen seitens des Staates nicht länger zu ignorieren und totzuschweigen. Wir haben uns mit Alma Zadić getroffen und mit ihr ein Gespräch über die LGTBIQ-Community und die derzeitige Lage in Österreich geführt.

Frau Ministerin, eine Frage vorweg: Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung?

Alma Zadić: Gleichberechtigung und Gleichstellung sind Grundvoraussetzungen für ein gutes Zusammenleben und ein gerechtes Miteinander. Dafür setze ich mich tagtäglich als Justizministerin in meiner politischen Arbeit ein. Dazu gehört auch der Einsatz gegen Hass, Gewalt und Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsmerkmale oder ihrer Geschlechtsidentität erfahren. Gerade die queere Community ist von unseren patriarchal geprägten Geschlechter- und Familienbildern besonders betroffen. So ist es gelungen Hassverbrechen an LGTBIQ-Personen endlich auch statistisch zu erfassen und seit letztem Jahr Exekutivbeamt:innen flächendeckend in dieser Thematik einzuschulen. Es liegt aber noch ein langer Weg vor uns.

Ihre Entschuldigung ist ein historisches Ereignis für die queere Community. Sind weitere Schritte wie Entschädigungszahlungen an die betroffenen Personen geplant?

Ich bedauere zutiefst, dass LGBTIQ-Menschen bis ins neue Jahrtausend in Österreich strafrechtlich verfolgt wurden, wobei Österreich die höchste Verurteilungsrate in Europa hatte. Als Justizministerin ist es mir wichtig, mich stellvertretend für die Justiz bei den Betroffenen und der Community für das erfahrene Unrecht, aber auch das lange Schweigen danach, zu entschuldigen. Wir wollen auch eine Gedenkmöglichkeit für die Verfolgten unter Einbindung der Community schaffen und umsetzen. Aber es gibt noch viele Schritte zu gehen, um echte Gleichstellung zu erreichen. 

Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren gibt es nach wie vor Benachteiligungen von LGTBIQ Personen, beispielsweise beim Blutspenden. Ein Antrag zur Aufhebung der umstrittenen Regelung wurde erst in diesem Jahr von den Grünen im Nationalrat abgelehnt. Warum?

Die Grünen stehen klar für ein Ende der Diskriminierung beim Blutspenden. Deshalb haben wir bereits letztes Jahr einen Antrag beschlossen, damit Blutspenden endlich diskriminierungsfrei möglich sein wird. Das Gesundheitsministerium lässt dazu gerade Empfehlungen ausarbeiten, die bis zum Herbst vorliegen werden.

Zurzeit läuft eine Initiative der NEOS, welche die sogenannten „Konversionstherapien“ verbieten soll. Während in Deutschland derartige „Umpolungstherapien“ per Gesetz bereits verboten sind, sind diese hierzulande noch erlaubt. Wie stehen sie dazu?

Solche Pseudotherapien sind gefährlich und sollen verboten werden, denn sie können schwere psychische und emotionale Schäden verursachen – etwa Depressionen und Suizidgedanken. Wir Grüne haben daher Anfang Mai einen Antrag zum Verbot von „Konversionstherapien“ im Gleichbehandlungsausschuss eingebracht, der dort auch beschlossen wurde. Auch ich als Justizministerin unterstütze dieses Verbot. Wir haben hier viel Überzeugungsarbeit bei der ÖVP geleistet und sind jetzt auf einem guten Weg. In derselben Sitzung wurde auch ein Grüner Antrag zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder und Jugendlicher vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen an den Geschlechtsmerkmalen beschlossen. Beides sind sehr wichtige Schritte für echte Gleichstellung und Selbstbestimmung.

Eine wichtige Forderung der Community betrifft das „Levelling-Up“ – eine gesetzliche Verankerung des vollständigen Schutzes vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Wann wird diese Barriere durchbrochen?

Es kann nicht sein, dass beispielsweise zwei lesbische Frauen aus einem Kaffeehaus verwiesen werden, nur weil sie lesbisch sind. Ich tausche mich dazu regelmäßig mit Vertreter:innen von NGOs und Vereinen aus und nehme dabei viele Anregungen mit, die ich in Gespräche mit dem Koalitionspartner einbringe.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Landes?

Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft Vielfalt als Bereicherung und Chance erkennen – und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist ein Teil davon. Es geht um nicht weniger als ein gerechtes Miteinander.

Vielen Dank Frau Justizministerin für das Interview!

Titelbild: Justizministerin Alma Zadić | © BMJ/Antonio Nedić