„Man hat’s nicht leicht auf derer Welt, wenn man als Manderl noch auf a Weiberl steht“, ließ Andreas Gabalier im März 2015 noch verlauten. Drei Monate später legte er mit „Man muss doch nicht jeden Tag schmusende Männlein in der Zeitung oder auf Plakaten drucken. Das löst das Gegenteil aus. Abwehr, Überdruss, Antipathie, selbst bei Leuten, die es doch eigentlich tolerieren“ noch einen drauf. Dann kam bis 2019 lange nichts und da auch nur ein halbherziges “Ich hab überhaupt kein Problem mit Schwulen, mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und auch sonst mit keinen Randgruppierungen, die es sonst noch so gibt”. Danke Andreas, da fühlt mensch sich wertgeschätzt, als Randgruppierung.
Und jetzt?
Jetzt gibt es 2021 plötzlich das neue Lied “LiebeLeben” und der Ton hat sich radikal geändert. Im Refrain heißt es da plötzlich “Ob Frau und Mann oder Mann und Mann oder zwei Mädchen dann irgendwann / wenn der Forrest Gump nimma laufen kann / ist es Liebe”. Andreas Gabalier, queere Liebe liebender Volksmusiker, der sich eindeutig gegen Homophobie stellt? So liest es sich zumindest aus unzähligen Medienberichten, denn mit Veröffentlichung der neuen Single folgt anscheinend auch ein großangelegter Push für ein neues, offenes Image.
Er will “reinen Tisch” machen und mit all den falschen Vorwürfen aufräumen, die über ihn in die Welt gesetzt wurden. So wie es berichtet wurde habe er das Ganze schließlich nie gemeint, es sei von der Presse falsch aufgegriffen worden – und er wäre alles andere als homophob. Im Gegenteil: “Ich bin nicht homophob und habe niemals ein Problem damit gehabt, wer wen liebt.” Warum er sich in den vergangen sechs Jahren nie der Richtigstellung bemüht hat und erst im Juni 2021 so eine klare Aussage bringt, lässt er außen vor.
Pinker Kapitalismus
Und da ist er ja auch schon, der Knackpunkt: Die Veröffentlichung der neuen Single gerade im Pride Monat ist nämlich alles andere als ein Zufall. Wir sehen es in den letzten Jahren immer mehr und mehr wie Pride kommerzialisiert wird. Die kämpferische Rolle der Parade, das Einnehmen eines öffentlichen Raumes, der uns sonst verwehrt bleibt und der Ursprung als Aufstand während Stonewall gerät langsam aber sicher in Vergessenheit. Stattdessen gibt es Regenbogenlogos großer Konzerne in den sozialen Medien, Werbungen von Banken in denen es ums Schmusen geht und ganz, ganz viel Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett zu kaufen.
Queeren Projekten und Hilfsorganisationen kommt leider oft weder ein Teil des Erlöses aus diesen Einnahmen zugute, noch wird von den meisten Regenbogenfahnen schwenkenden Firmen etwas getan um auf nach wie vor herrschende Benachteiligungen und Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Aber darum geht es ja auch nicht: Gehen tut es nämlich ums Image. Alle sich mit Regenbogenfahnen hüllende Konzerne stehen als offene und tolerante Vorbilder dar, nur um dann die restlichen elf Monate im Jahr die Flaggen fallen zu lassen und business as usual zu machen. Pinker Kapitalismus in action also.
Pink Dollar
In Anbetracht dessen ist es klar, dass Gabaliers plötzliche Wandlung eher als Publicity Stunt anmutet – Regenbogenästhetik des Videos (angelehnt an den Film La La Land) mit eingeschlossen. Seine Positionierung eröffnet ihm nicht nur den wundersamen Hauch der Toleranz und Aufgeschlossenheit, sondern einen ganz neuen Markt. Der “pink dollar”, wie er im Amerikanischen genannt wird, ist einiges wert – das sehen wir ja rein daran wie sehr Konzerne uns derzeit mit Regenbogenprodukten überhäufen wollen. Die Authentizität und Glaubwürdigkeit Gabaliers bleiben ob seiner Aussagen in der Vergangenheit doch etwas auf der Strecke.
Es bleibt zu sehen ob Gabaliers Aktivismus auch so plötzlich verschwindet wie die Regenbogenlogos so mancher Konzerne – hoffen wir’s mal nicht. Oh und wenn du schon mit den Richtigstellungen anfängst, Andreas: Beim Thema Sexismus gibts auch noch einiges nachzuholen.
Titelbild: Symbolbild | © Icons8 Team on Unsplash
absolviert derzeit ein Doktorat der Geisteswissenschaften mit Fokus auf Medienkulturwissenschaften, sowie einen Master in interdisziplinären Geschlechterwissenschaften an der Universität Graz. Seit 2019 unterrichtet dey als Lektor*in auch Kurse zu Feminismus, Intersektionalität und Queerness an derselben. Parallel dazu beschäftigt sich dey mit den Themen Geschlecht, Sexualität und Körperlichkeit(en) auf der Bühne. Seit 2016 ist El(l)i als künstlerische und organisatorische Leitung Teil der Theatergruppe Pennyless Players und seit 2019 Teil des Künstlerkollektivs Peace Babies.