Bücher einem Trend zuzuordnen, läuft immer etwas Gefahr, ihre individuellen Besonderheiten abzuschwächen. Doch mit Nora Eckerts Wie alle, nur anders ist nun eine Autobiografie erschienen, die jüngere trans*-Biografien wie Jayrôme C. Robinets Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund oder Linus Gieses Ich bin Linus um die wichtige Perspektive einer älteren Generation ergänzt.
Eine queere Zeitreise durch Berlin
Nora Eckerts Buch ist gleichsam eine Liebeserklärung an die Stadt Berlin, in der sie seit 1973 lebt, wie auch eine Geschichte des Trans*-Seins in der BRD – und wie beides miteinander zusammenhängt. Eckert erzählt mit Humor und literarischem Feinsinn von ihrem Weg zur Transfrau in den 1970er Jahren, in einer Zeit (weit) vor dem Internet, vor Selbsthilfegruppen und vor dem deutschen Transsexuellengesetz.
Das Nachtleben bot zu dieser Zeit für Trans*-Personen sowohl Arbeitsplätze, wie auch (oft den einzigen) Zugang zu medizinischen und psychologischen Informationen, in der das eigene Sein nicht als zu kurierender Fall begriffen wurde. Eckert erinnert an eine Zeit und Orte wie den Travestieclub Chez Romy Haag, die den Hintergrund für den queeren Möglichkeitsraum des heutigen Berlins bieten, und dokumentiert aus sehr persönlicher Perspektive die nur sehr langsam voranschreitende gesellschaftliche, rechtliche und medizinische Anerkennung von Trans*-Personen – immerhin sind es nun große, renommierte Verlage wie C.H. Beck, Hanser und Rowohl, in denen die genannten Biografien erschienen sind.
Trans*-Perspektiven vervielfältigen
Wie alle, nur anders ist ein großes Geschenk, als dass Eckert hier ihre umfangreiche literarische Bildung mit dem queeren Wissen unterschiedlicher Generationen vereint. Eckert, die heute im Vorstand des Vereins TrIQ TransInterQueer ist, macht mit ihrem Buch noch einmal deutlich, dass es nicht eine Perspektive auf Trans* gibt, sondern – wie zum Beispiel der heute aus der Mode gefallene Begriff transsexuell im Untertitel zeigt – eine Vielfalt von Erfahrungen und Lebensweisen. Insofern ist zu hoffen, dass dieser Buchtrend noch lange anhält.
Titelbild:
Nora Eckert: Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin
Erschienen bei C. H. Beck, 208 Seiten, mit 17 Abbildungen
ISBN 978-3-406-75563-7
ist als Theaterwissenschaftler am Zentrum für Genderforschung der Kunstuniversität Graz angestellt und beschäftigt sich dort – neben Gleichstellungsarbeit – mit verschiedenen Aspekten queerer Theatergeschichte, wie dem schwulen Theater der 1970er Jahre und der Geschichte der Travestie. Pandemiebedingt konnte er sich bisher nur teilweise in Österreich einleben, er hat derzeit auch noch einen (recht großen) Koffer in Berlin. Berufsbedingt verbringt er eigentlich viel Zeit im Theater, liest sonst aber auch gern und möchte insgesamt mehr töpfern.