In unserer letzten Ausgabe 02 behandelte ich das Thema „Lesben in unserer Gesellschaft“ und der Schluss, den ich aus meiner Recherche und vor allem meinen Interviews zog, war dass Lesben in unserer Gesellschaft nicht wirklich sichtbar sind. Dem konnte sich die GRÜNE Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi jedoch nicht anschließen. Sie ist selbst lesbisch, und war etwas verwundert darüber, dass es mir so schwer fiel Lesben zu finden, wie sie mir in einer E-Mail schrieb. Daraufhin lud ich sie zu einem Interview ein.
Faika: Lena findet schwer Lesben, ist das richtig?
Lena: (lacht) Ja, wobei mich das selbst wahnsinnig überrascht hat.
Faika: Das ist für mich absolut unvorstellbar. Ich meine, allein im grünen Parlamentsklub gibt es noch drei weitere lesbische Frauen. Oder zum Beispiel Ulrike Lunacek, die erste offen lesbische Nationalratsabgeordnete. Und dann gibt es ja noch so viele in anderen Bereichen, im Sport, in der Kunst und Kultur. Am 26. April ist ja der Lesbian Visibility Day, und deshalb war ich so schockiert, dass auch nicht einmal von allen Fotos in deiner Reportage sind, weil sich nicht alle zeigen lassen wollten.
Lena: Das kann ich verstehen. Ich habe auch noch einmal mit meinen Interviewpartnerinnen gesprochen, was sie dazu sagen. Sie meinen die Repräsentation ist da, aber im Alltag fehlt es. Im Alltag sieht man Lesben nicht wirklich.
Faika: Deshalb glaube ich auch, dass Leute wie ich, Leute in der Politik, die Arbeit machen sollen. Nämlich sich zu zeigen, weil wir ganz andere Rahmenbedingungen haben. Das heißt natürlich nicht, dass es immer einfach ist und für viele ist es auch heute noch riskant. Es ist immer eine individuelle Abwägung „wie offen kann und will ich sein“, in meiner Familie, in meiner Arbeit, in meinem Umfeld. Wenn man Elternteil ist, so wie ich, gilt das auch im Umfeld meines Kindes: der Kindergarten, die Schule, Ärzte und Ärztinnen. Überall wo ich hingehe wird ja generell von Heterosexualität ausgegangen, ich muss mich dann jedesmal deklarieren. Ich mache das, aber für viele trägt das nach wie vor dazu bei, dass sie in the closet bleiben. Deshalb ist es so wichtig an all den Stellen die Frauen zu sehen, die das für sich beanspruchen und den Raum aufmachen für eine Selbstverständlichkeit und eine Akzeptanz.
Lena: Auf einer weiteren Ebene ist dann auch noch die Community extrem wichtig. Zu sehen, dass es andere gibt die vielleicht schon mehr Erfahrungen haben und vor allem zu sehen, dass es besser wird und ganz schön sein kann.
Faika: Genau, es braucht Leute die dir eine Hand reichen, dir zeigen können, dass alles irgendwann einmal besser wird. Meiner Erfahrung nach war in der lesbischen Community schon immer sehr viel Fürsorge füreinander da, nicht nur untereinander, sondern auch von lesbischen Frauen für den Rest der Community. Lesbische Frauen waren zum Beispiel sehr aktiv in den 80er Jahren, während der AIDS-Krise, als viele schwule Männer krank geworden sind, verstorben sind. Die lesbischen Frauen die mit ihnen befreundet waren, haben sich eingebracht, haben sie gepflegt, sich um sie gekümmert. Genauso sind sie in anderen Bereichen aktiv, ob das jetzt die Frauenbewegung ist, anti-rassistische Bewegungen sind. Hier geht es ja um systematische Unterdrückung und mir ist es wichtig nicht in diesem System erfolgreich zu sein, sondern es auseinander zu nehmen.
Lena: Wenn wir das jetzt auf die nähere Zukunft auslegen, wo siehst du in der jetzigen Situation die größten Baustellen?
Faika: Der erste Ort für mich um etwas zu verändern, dass die gesamte Gesellschaft anbelangt, ist immer der Bildungsbereich. Wie sind die Schulen? Wie inklusiv sind die Schulen? Sind sie freie Räume oder repressive Orte? Hier geht es um alle in diesem Gefüge, deren Diversität, wie mit Themen umgegangen wird. Darum Inklusivität und Diversity als etwas Positives zu besetzen und so damit umzugehen. Ich glaube, das ist einer der wesentlichen Orte an dem Verständnis hergestellt werden kann.
Titelbild: Faika El-Nagashi | © Calimaat
würde sich selbst als generell verwirrte Person beschreiben die immer wieder in die bizarrsten und wunderbarsten Situationen hineinrutscht. Irgendwie ist sie Anglistik/Amerikanistik Studentin geworden, hat zu der englischen Theatergruppe den Pennyless Players gefunden und ist über einen Babysitterjob zur Taufpatin geworden. Sie durfte schon im Schauspielhaus Graz auf der Bühne stehen, ein Theaterstück für den Tag der Sprachen verfassen und neuestens in die Rolle einer Journalistin schlüpfen. Sie meint, solange sie kreativ sein kann ist sie mit dem Chaos eigentlich ganz glücklich.