Hisham Morscher wurde vor 27 Jahren in der Schweizer Hauptstadt Bern geboren und wuchs dort auch auf. Er ist Schauspieler, Musiker und sehr umtriebig im sozialen Netz. Auf TikTok gibt Hisham Comedy zum Besten und begeistert damit bereits mehr als 150.000 Followers.
Es ist Winter. Der Nebel hängt über dem dämmrigen Schlossgarten Schönbrunns. Und trotzdem tummeln sich eifrige Spaziergänger*innen und motivierte Sportler*innen durch die Alleen. Und wir mittendrin: Hisham Morscher und ich. Es ist ein etwas anderes Interview, ein bewegtes.
Was hat dich nach Wien verschlagen?
Hisham Morscher: Meine Musicalausbildung hat mich nach Wien gebracht. Ich wollte Schauspieler und Sänger werden. Und da ich nicht die besten Noten für das Gymnasium hatte, schlug mir meine Mutter die Musicalausbildung in Wien vor. Und so bin ich mit 15 Jahren alleine nach Wien gezogen, um im Konservatorium Sunrisestudios meine Ausbildung zu absolvieren.
Und dich hat Wien behalten.
Stimmt, seit 11 Jahren.
Wir steuern vom Schloss ausgehend mit eifrigen Schritten auf die erhöht gelegene Gloriette, wo an klaren Tagen eine wunderbare Sicht über Wien genossen werden kann.
Du bist Schauspieler, Musiker und TikToker. Doch wer ist Hisham noch?
Wer ist der Hisham? Keine Ahnung, das ist eine so deepe Frage. Ich bin einfach ein Künstler, würde ich sagen. Ein Entertainer, ein Allroundpaket: von Singen über Tanzen, Schauspielern, TikToken und Comedy.
Vor einiger Zeit hast du dich als bisexuell geoutet und zwar auf Facebook. Was hat sich seitdem für dich verändert?
Es hat sich grundsätzlich alles und nichts verändert. Ich war bis zu diesem Outing sehr gefangen in meiner Welt, weil ich ein doppeldeutiges Leben geführt habe. In der Musicalausbildung war ich zum Beispiel der einzige Junge unter sehr vielen Mädels. Da hieß es immer, dass ich der Hahn im Korb und der Player sei. Ich habe jedoch gewusst, dass es nicht ganz so ist. Eigentlich gar nicht so. Ich dachte, ich werde über meine Bisexualität nie jemandem etwas sagen, weil ich immer bekannt werden wollte, schauspielern und singen. Daher wollte ich auch mein kleines Geheimnis für mich behalten. Meine Gedanken waren: Das passt nicht zur dir, das kannst du nicht bringen, du wirkst nicht so, du bist nicht so und du willst jetzt auch nicht so einer sein. Ich hatte einfach sehr große Angst davor. Und nachdem ich realisiert habe, wie verlogen man sich selbst vorkommt, habe ich beschlossen, es nicht mein ganzes Leben in mich reinzufressen. Weil es auch ein extremer psychischer Druck war. Und seit meinem Outing bin ich freier und kann sein, wie ich bin. Seither habe ich gemerkt, dass es gar nicht schlimm ist und dass sich auch gar nix verändert hat.
Deine Augen haben, während du erzählt hast, zu Strahlen angefangen.
Es ist auch eine sehr schöne Frage, die ich bisher noch nie so gestellt bekommen habe. Ich realisiere meinen Weg gerade selber voll.
Im Oktober letzten Jahres hat der ORF über dich eine Reportage gedreht. Da hast du erzählt, dass dein Vater mit muslimischen Wurzeln negativ und mit Vorurteilen auf dein Outing reagiert hat. Wie steht ihr heute zueinander?
Unser Verhältnis ist mittlerweile gut. Es war damals auch nicht schlecht, aber auch nie super gut. Ich muss jedoch dazu sagen, das ist eine Fehlinformation vom ORF: Dass mein Vater muslimisch ist, habe ich so nicht gesagt. Er wurde in Marokko geboren und muslimisch erzogen, ist aber kein praktizierender Moslem. Meine Mutter hingegen wurde katholisch erzogen und beide leben heute als Atheisten. Meine Bisexualität ist jetzt toleriert, mein Vater und ich reden einfach nicht darüber. Für ihn ist schwul oder bi sein nicht gleich harām (arabisch für verflucht oder verboten). Sondern es ist eine Sichtweise, die er wahrscheinlich aus seiner Kindheit in sich trägt und schon deswegen automatisch dagegen ist, obwohl er eigentlich gar keinen Grund hat.
Wir verlassen den für uns beide bekannten Weg im Schlossgarten und biegen in den Wald ein, wo ein schmaler Pfad den Hügel hinunter zurück zum Schloss führt.
Inwiefern der Glaube deine sexuelle Orientierung beeinflusst hat, wäre meine nächste Frage gewesen. Die sich mit deiner vorigen Antwort erübrigt hat.
Ich würde trotzdem gerne etwas dazu sagen und zwar, dass Glaube und Sexualität vereinbar sind. Ich habe zwar nicht das Recht dazu, da ich zum Beispiel kein praktizierender Moslem oder Christ bin. Aber ich kenne sehr wohl queere Moslems sowie Katholiken. Es ist eine ganz simple Antwort: Gott liebt alle.
Siehst du dich als Vorbild für junge Erwachsene?
Ich sehe mich nicht als Vorbild, ich sehe mich als Inspiration und als Mutmacher. Was mich sehr freuen würde, wenn junge Menschen oder auch ältere – viele meiner Follower sind jedoch sehr jung – einfach checken: Hey, der macht das, daher kann ich es auch! Egal, ob es jetzt seine sexuelle Orientierung zu leben ist, seine Träume zu verwirklichen oder so zu sein, wie man ist. Ein Vorbild zu sein, finde ich zu gewagt. Das bin ich nicht und sollte ich nicht sein.
Als bekannter Künstler kannst du dir auch eine Plattform schaffen, um deine Botschaften nach außen zu tragen. Was sind deine Botschaften?
Wie ich vorhin schon angeteast habe, stehe zu dir selber und verwirkliche deine Träume, höre in erster Linie auf dich. Mach dein Ding!
Ich möchte dich abschließend auf ein Gedankenspiel einladen. Hisham in einer Welt, wo die sexuelle Orientierung keine Rolle spielt, wie sähe diese für dich aus?
Das ist eine spannende Frage. Ich weiß es nicht. Wie wäre sie? Für mich gerade sehr unvorstellbar, denn ich glaube, dass es in diesem Leben nicht mehr so sein wird. Ich hoffe jedoch, dass die Entwicklung annähernd in diese Richtung geht, daran glaube ich – an eine Welt, die viel diverser und weniger klischeebehaftet ist.
Mittlerweile ist es dunkel geworden. Wir sind wieder am Schloss angekommen und ein kalter Wind bläst uns um die Ohren. Wir verabschieden uns.
Vielen Dank Hisham!
Danke dir, Ruperta, für deine Fragen!
als Grenzgängerin zwischen digital und analog, gilt ihre Leidenschaft seit vielen Jahren der Content Creation. Am liebsten kreiert Ruperta Text und Bild, die einen Mehrwert haben. Oder ästhetisch sind. Und bewegen. Auch strategisch mischt sie gerne auf, ob als Chefredakteurin oder als zukünftige Entrepreneurin. Als Kind der späten 80er ist sie jung auf den Geschmack des Reisens gekommen. Und liebt es noch immer. So sehr, dass ihr die Ortsunabhängigkeit besonders wichtig ist, hätte da nicht eine Liebe namens Wien dazwischen gefunkt. (Foto: privat)